EuGH: Umsatzsteuerliche Mindestbemessungsgrundlage bei geschäftsleitender Holding

In einem schwedischen Vorabentscheidungsersuchen musste der EuGH – als mittelbare Folge seiner „Holding-Rechtsprechung“ – den Anwendungsbereich der Mindest-Bemessungsgrundlage präzisieren und klarstellen, ob tatsächlich alle Aufwendungen eines Steuerpflichtigen in die Berechnung des Normalwerts einbezogen werden können.

Hintergrund

Für ihre Leistungen stellte die Holding ihren Tochtergesellschaften in 2016 insgesamt ca. 2,3 Mio. schwedische Kronen in Rechnung. Sie gab an, diesen Betrag durch Anwendung der sogenannten Kostenaufschlagsmethode (Cost-Plus-Method) ermittelt zu haben. Andererseits beliefen sich die Gesamtaufwendungen der Holding auf ca. 28 Mio. schwedische Kronen. Hiervon entfiel etwa die Hälfte auf mehrwertsteuerpflichtige Eingangsleistungen. Der Restbetrag betraf mehrwertsteuerfreie Eingangsleistungen und nicht steuerbare Vorgänge wie Lohnzahlungen. Die Holding zog alle angefallenen Vorsteuerbeträge von ihrer Mehrwertsteuerschuld ab. Dies betraf auch Eingangsleistungen, die nicht bei der Bemessung des Entgelts für die Ausgangsleistungen berücksichtigt wurden.

Das Finanzamt war der Auffassung, das von der Holding für ihre Ausgangsleistungen erhobene Entgelt liege unter dem Normalwert und erhöhte die mehrwertsteuerliche Bemessungsgrundlage. Es handele sich bei den Ausgangsumsätzen der Holding um eine einheitliche Leistung. Für diese Leistung gäbe es keinen vergleichbaren Preis auf dem freien Markt, so dass der Normalwert mindestens dem Betrag der Ausgaben für die Erbringung der Dienstleistung entspreche, mithin 28 Mio. schwedische Kronen als Bemessungsgrundlage für die von der Holding zu zahlende Mehrwertsteuer.

Die Generalanwältin (GA) Juliane Kokott war in ihren Schlussanträgen u. a. zu der Auffassung gelangt, dass es zu unzutreffenden Ergebnissen führen würde, pauschal und automatisch alle Aufwendungen der Holding aus dem fraglichen Kalenderjahr einzubeziehen. Sie lässt darin (erneut) Kritik an der Rechtsprechung des Gerichts zur Holdingstruktur durchklingen. So stünde ohne die Erbringung von entgeltlichen Verwaltungstätigkeiten an die Tochtergesellschaften einer Holding aufgrund der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH überhaupt kein Vorsteuerabzug aus den Kosten der Verwaltung des Unternehmens zu. Die Folge: Jede Holding eines Konzerns, der ganz oder zum Teil steuerpflichtige Umsätze ausführt, muss entgeltliche Dienstleistungen an die Tochtergesellschaften erbringen, will sie die Mehrwertsteuerbelastung der Konzernverwaltungskosten über einen Vorsteuerabzug neutralisieren. Daher würden entgeltliche Dienstleistungen zwischen der Holding und den Tochtergesellschaften „konstruiert“ (Schlussanträge, Rz. 29 und 30).

 Urteil des EuGH

Der EuGH folgt dem Ergebnis der GA und entschied, dass Art. 72 und 80 der MwStRL einer Handhabung der Finanzverwaltung entgegenstehen, wonach die von einer Muttergesellschaft im Rahmen der aktiven Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften für diese erbrachten Dienstleistungen in allen Fällen als einheitliche, die Bestimmung ihres Normalwerts nach der in Art. 72 Satz 1 der Richtlinie vorgesehenen Vergleichsmethode ausschließende Leistung angesehen werden.

Im vorliegenden Fall waren die von der Holding für ihre Tochtergesellschaften erbrachten Dienstleistungen insbesondere Dienstleistungen in den Bereichen Unternehmensführung, Wirtschaft, Immobilienverwaltung, Investitionen, IT und Personalverwaltung. Insofern könne nicht davon ausgegangen werden, dass solche Dienstleistungen grundsätzlich so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftlich untrennbare Leistung und damit eine einheitliche Leistung bilden.

Denn diese Dienstleistungen haben zum einen, selbst wenn sie zusammen erbracht werden, offenbar jeweils einen eigenen und erkennbaren Charakter. Zum anderen kann die Tatsache, dass von jeder der Tochtergesellschaften für alle an sie von der Holding erbrachten Leistungen ein Gesamtpreis an die Muttergesellschaft gezahlt wird, bei konzerninternen Leistungen nicht entscheidend sein, da es andernfalls der Konzern selbst in der Hand hätte, durch die vereinbarten Zahlungsmodalitäten die mehrwertsteuerrechtliche Beurteilung der Leistungen zu beeinflussen.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 3. Juli 2025 in der Rechtssache C-808/23 - Högkullen.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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