Widerlegbare Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht bei unentgeltlicher Bürgschaft

Die Einkünfteerzielungsabsicht für Verluste aus dem Ausfall einer Bürgschaftsregressforderung ist nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs bei einer unentgeltlichen Bürgschaftsübernahme unter fremden Dritten widerlegbar zu vermuten. Sie ist grundsätzlich erst dann widerlegt, wenn die Bürgschaft ohne jeglichen wirtschaftlichen Hintergrund hingegeben worden ist.

Hintergrund

Streitig ist, ob der Kläger wegen des Ausfalls einer Bürgschaftsregressforderung einen steuerbaren Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Jahr 2012 (Streitjahr) realisiert hat. Der Kläger hatte gegenüber der A Bank im Dezember 2010 eine Höchstbetragsbürgschaft über 200.000 € für ein Darlehen der A Bank an die Z-GmbH über 200.000 € übernommen. Der Kläger war an der Z-GmbH nicht beteiligt. Er schloss im Januar 2011 mit der Z-GmbH eine Vereinbarung wonach der Kläger der Z-GmbH ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 180.273,72 € "durch Umwandlung" des Darlehens der A Bank an die Z-GmbH gewährte. Im Januar 2012 wurde dem Kläger die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft durch die A Bank in Höhe von 187.840,35 € angekündigt. Im selben Monat wurde über das Vermögen der Z-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger zahlte nach Anforderung an die A Bank im April 2012 188.276,61 €. Er meldete März 2012 (wegen der Vereinbarung mit der Z-GmbH) und im Mai 2012 (wegen der auf ihn als Bürgen übergegangenen Darlehensforderung der A Bank gegen die Z-GmbH) jeweils Forderungen in Höhe von 190.086,47 € zur Insolvenztabelle an.

Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung des geltend gemachten Verlusts bei den dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegenden Kapitalerträgen ab. Das Finanzgericht hatte die Klage abgewiesen.

Entscheidung

Der BFH hielt die Revision für begründet. Das Finanzgericht habe zu Unrecht entschieden, dass ein Abzug des begehrten Verlusts bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen im Streitjahr endgültig nicht in Betracht kommt. Es sei nicht ausgeschlossen, so der BFH, dass der Kläger einen steuerbaren Verlust aufgrund des Ausfalls seiner Bürgschaftsregressforderung gegen die Z-GmbH mit Einkünfteerzielungsabsicht realisiert hat. Der Streitfall wurde aus diesem Grund zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Wie der BFH - nach Ergehen der Entscheidung des Finanzgerichts – im Urteil vom 20. Juni 2023 IX R 2/22 entschieden hat, gehört auch eine Bürgschaftsregressforderung zu den sonstigen Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, deren Ausfall zu einem steuerbaren Verlust führen kann.

Auch das Finanzgericht ist zutreffend von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Regelungen in § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auf den Ausfall der Bürgschaftsregressforderung ausgegangen. Es hat der Prüfung, ob die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers für einen Ausfallverlust der Bürgschaftsregressforderung bestanden hat jedoch in mehrfacher Hinsicht unzutreffende Kriterien zugrunde gelegt.

Für die Einkünfte aus Kapitalvermögen, welche dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterfallen, bedingen die Besonderheiten der Einkünfteermittlung eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht.

Ob die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht widerlegt ist, ist für Bürgschaftsregressforderungen im Zeitpunkt der Hingabe der Bürgschaft zu beurteilen.

Die widerlegbare Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht greift auch für eine unentgeltlich übernommene Bürgschaft grundsätzlich ein. Die Vermutung ist bei einer Bürgschaftsübernahme unter fremden Dritten erst bei Fehlen jeglichen wirtschaftlichen Hintergrunds für die Hingabe der Bürgschaft widerlegt.

Das Finanzgericht hat für die Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht ausschließlich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des gesetzlichen Forderungsübergangs nach Eintritt der Insolvenz der Z-GmbH abgestellt. Es hat zudem keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ableiten ließe, dass der Kläger im Zeitpunkt der Bürgschaftshingabe mit einer Inanspruchnahme rechnen musste.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 1. Juli 2025 (VIII R 3/23), veröffentlicht am 4. September 2025.

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