EuGH: Treueprogramm mit umsatzabhängig erworbenen Punkten kein Gutschein?
In einem schwedischen Vorabentscheidungsersuchen geht es um die Frage von Treuepunkten, die bei einem späteren Einkauf eingelöst werden können. Hierzu hat die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen dem Gericht empfohlen zu entscheiden, dass die Ausgabe der Punkte, die erst zusammen mit einem weiteren Einkauf für eine Prämie eingelöst werden können, keinen Gutschein im Sinne von Art. 30a der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt, sondern vielmehr als ein bloßer Preisnachlass zu betrachten ist.
Der Vorlagefall betrifft ein in der Praxis übliches Kundentreueprogramm, bei dem die Kunden mit ihren Einkäufen Punkte sammeln, die sie bei einem späteren Einkauf verwenden können. Im Ergebnis führen die Punkte dazu, dass der nächste Einkauf „billiger“ für den Kunden wird, sei es, dass die Punkte vom Preis abgezogen werden können, sei es, dass – so wie hier – zusätzlich noch eine weitere Ware aus einem Prämienshop erworben wird. Die laut dem vorlegenden Gericht entscheidende Frage ist, ob bereits die Ausgabe solcher Punkte als ein Gutschein im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie zu behandeln ist. Falls dies bejaht wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, wie die Steuerbemessungsgrundlage gemäß Art. 73a der Mehrwertsteuerrichtlinie festzulegen ist, wenn die Punkte genutzt werden, um Gegenstände vom Verkäufer zu erhalten.
Schlussanträge
Die Generalanwältin (GA) Juliane Kokott ist der Auffassung, dass die Ausgabe von Punkten im Rahmen eines Kundentreueprogramms, das so ausgestaltet ist, dass ein Kunde, der Gegenstände kauft, Punkte in Abhängigkeit von der Höhe des Einkaufs erhält und danach in Verbindung mit einem künftigen Kauf berechtigt ist, die Punkte zu nutzen, um weitere Gegenstände aus dem Sortiment des Verkäufers zu erhalten, keinen Gutschein im Sinne von Art. 30a der Richtlinie 2006/112 darstellt. Es fehle an der (eigenständigen) Verpflichtung, diese Punkte als Gegenleistung für eine Lieferung eines Gegenstandes anzunehmen. Daher stellt ein solches Punktesystem nur einen Preisnachlass bezüglich des künftigen Kaufs dar.
Im Lichte der Verneinung dieser ersten Vorlagefrage hat sich für die GA die Untersuchung der zweiten Vorlagefrage erübrigt.
Die im Ausgangsverfahren gesammelten (und noch nicht eingelösten) Punkte gewähren dem Kunden kein Recht (und begründen damit auch keine Verpflichtung), sie als Gegenleistung für eine Lieferung zu verwenden (bzw. anzunehmen). Das Kundentreueprogramm ist hingegen so ausgestaltet, dass der Kunde nur in Verbindung mit einem künftigen Kauf berechtigt ist, die Punkte zu nutzen, um weitere Gegenstände aus dem Sortiment im Rahmen dieses weiteren Kaufes zu erhalten. Die Punkte selbst sind aber noch kein gewährter Rabatt, sondern nur eine Rabattmöglichkeit. Ein Preisnachlass nach Ausführung des Umsatzes (hier des ersten Kaufs) führt zwar nach Art. 90 der Mehrwertsteuerrichtlinie zu einer Verminderung der Bemessungsgrundlage, setzt aber auch die Durchführung des Preisnachlasses voraus. Dies würde erst mit Einlösung der Punkte, mithin dem Erhalt der Prämie, der Fall sein.
Anmerkung: In einem Scheiben vom 2. November 2020 (siehe Blogbeitrag vom 8. November 2020) hat das Bundesfinanzministerium zur neuen Gutscheinregelung nach der Umsetzung der EU Gutschein-Richtlinie in nationales Recht Stellung genommen und ergänzend ausgeführt, dass insbesondere die Gutscheine, die den Inhaber nur zu einem Preisnachlass oder einer Preiserstattung berechtigen, aber nicht das Recht verleihen, solche Gegenstände oder Dienstleistungen zu erhalten, von den neuen Regelungen nicht betroffen sind.
Fundstelle
EuGH, Schlussanträge vom 11. September 2025 in der Rechtssache C-436/24 - Lyko Operations.
Eine englische Zusammenfassung der Schlussanträge finden Sie hier.