Grunderwerbsteuer bei erneuter Überschreitung der 95 %-Grenze und fehlender Steuerbarkeit des vorausgegangenen Erwerbs

Werden die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft aufgrund eines nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) steuerbaren Rechtsgeschäfts in der Hand eines Erwerbers vereinigt und sinkt dessen Beteiligung zu einem späteren Zeitpunkt unter die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erforderliche Beteiligungsquote ab, unterliegt nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs ein Anteilserwerb, der zu einer erneuten Anteilsvereinigung in der Hand des Erwerbers führt, wieder der Grunderwerbsteuer.

Hintergrund:

Der Streitfall betraf die Frage, ob die „Rückgängigmachung der Rückgängigmachung“ eines Erwerbsvorgangs die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Der ursprüngliche Erwerbsvorgang (erster Erwerbsvorgang), der Erwerb am 20.12.2011 von 5,1 % der Anteile der R-AG von M-GmbH durch die bereits i. H. v. 94,9 % an der R-AG beteiligte Klägerin (eine GmbH), wurde am 10.10.2012 rückgängig gemacht (mittels Aktienrückkauf- und -abtretungsvertrag). Kurze Zeit später (mit Vertrag vom 8.4.2014) erwarb die Klägerin abermals 5,1 % der Anteile an der R-AG (zweiter Erwerbsvorgang). Das Finanzamt setzte sowohl für den ersten Erwerbsvorgang als auch für den zweiten Erwerbsvorgang GrESt fest. Den Antrag der Klägerin, den Steuerbescheid für den ersten Erwerbsvorgang gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG aufzuheben, lehnte das Finanzamt unter Hinweis auf § 16 Abs. 5 GrEStG ab. Das Finanzgericht hatte die Klage abgewiesen.

Entscheidung des BFH

Der BFH hielt die Revision für begründet. Das Finanzgericht habe zwar zutreffend entschieden, dass mit dem Abschluss des Vertrags vom 8.4.2014 der Tatbestand der Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt ist. Jedoch hat es zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der hierfür festgesetzten Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG verneint. Der Anwendung dieser Vorschrift auf eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung steht nicht entgegen, dass der vorausgegangene Erwerb der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft nicht steuerbar war.

Die Vereinigung der Anteile an der R-AG in der Hand der Klägerin aufgrund der Rückgängigmachung des Aktienrückkauf- und -abtretungsvertrags vom 10.10.2012 durch den Vertrag vom 8.4.2014 unterliegt als solche gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Dies ist unstrittig.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts ist jedoch auf den Vertrag vom 8.4.2014 über die Rückgängigmachung des Aktienrückkauf- und -abtretungsvertrags vom 10.10.2012 § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG anzuwenden, so der BFH. Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, so wird nach dieser Vorschrift auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. Die Vorschrift betrifft über ihren Wortlaut hinaus auch den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG.

Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2, 2a, 3 und 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsmäßig angezeigt war. Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG voraus.

Für die Frage, ob der Vertrag vom 08.04.2014 in den Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG fällt, kommt es nicht darauf an, dass der Vertrag vom 10.10.2012 seinerseits auf die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs vom 20.12.2011 und damit auf einen Rückerwerb von 5,1 % der Anteile an der R-AG durch die M-GmbH gerichtet war. Denn der Umstand, dass sich der Vertrag vom 10.10.2012 aus der Perspektive des ersten Erwerbsvorgangs vom 20.12.2011 als Rückerwerb im Sinne des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG darstellt, schließt es nicht aus, dass er auf einer anderen Vertragsstufe, hier aus der Perspektive des Vertrags vom 08.04.2014, als vorausgegangener Erwerbsvorgang im Sinne der Vorschrift zu qualifizieren ist.

Schließlich habe das Finanzgericht zudem nicht beachtet, dass der Vertrag vom 8.4.2014 die Anforderungen an einen Rückerwerb im Sinne des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Erforderlich ist hierfür, dass im Zeitpunkt des vorausgegangenen Erwerbsvorgangs, auf den sich die Rückgängigmachung bezieht, die veräußernde Gesellschaft bereits grundbesitzend war (hierzu: RZ 30 im Urteil).

Fundstelle

BFH, Urteil vom 07. Mai 2025 (II R 26/23) - veröffentlicht am 25. September 2025.

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