Zweimalige Festsetzung von Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen beim Auseinanderfallen von sogenanntem Signing und Closing

Es ist bei summarischer Prüfung nicht rechtlich zweifelhaft, dass bei einem Erwerb von Anteilen an einer GmbH, bei dem das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft (Signing) und die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) zeitlich auseinanderfallen, Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) für das Closing festgesetzt werden darf. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Mit notariell beurkundetem Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag vom 22.03.2024 (sogenanntes Signing) veräußerte die H-GmbH sämtliche Anteile an der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), die zu diesem Zeitpunkt noch als … GmbH firmierte, an die M-GmbH. Zugleich erklärte sie die Abtretung der Anteile unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises auf das Notaranderkonto (sogenanntes Closing). Der Kaufpreis war zum 02.04.2024 fällig.

Zuvor hatte die Antragstellerin mit notariell beurkundetem Grundstückskauf-vertrag vom 17.08.2023 das Grundstück in X (Inland) erworben. Die Fälligkeit des Kaufpreises wurde von den Vertragsparteien bis zum 31.03.2024 verlängert beziehungsweise bis zum 30.04.2024 gestundet. Für den Fall nicht vollständiger Kaufpreiszahlung sah der Vertrag zugunsten der Verkäuferin ein Rücktrittsrecht vor, das nicht ausgeübt wurde. Die für den Erwerb des Grundstücks mit Bescheid vom 19.09.2023 festgesetzte Grunderwerbsteuer wurde von der Antragstellerin vollständig bezahlt. Der Bescheid vom 19.09.2023 wurde bestandskräftig.

In den Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrag vom 22.03.2024 wurde der Grundstückskaufvertrag vom 17.08.2023 als Anlage aufgenommen. Es wurde vereinbart, dass der M-GmbH ein Rücktrittsrecht für den Fall zusteht, dass die Verkäuferin aus dem Grundstückskaufvertrag vom 17.08.2023 ihr Rücktrittsrecht mangels Kaufpreiszahlung ausüben sollte. Das Rücktrittsrecht zugunsten der M-GmbH sollte spätestens zum 15.05.2024 erlöschen, wenn es bis dahin nicht wirksam ausgeübt oder auf seine Ausübung verzichtet worden sein sollte.

Am 28.03.2024 zeigte die Notarin den Abschluss des Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrags vom 22.03.2024 beim Finanzamt an. Am 02.04.2024 wurde der Kaufpreis von der M-GmbH auf das Notaranderkonto eingezahlt.

Das Finanzamt setzte jeweils mit Bescheid vom 30.05.2024 zweimal Grunderwerbsteuer fest. Zum einen gegenüber der M-GmbH wegen der Anteilsübertragung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und zum anderen gegenüber der Antragstellerin aufgrund des Wechsels im Gesellschafterbestand nach § 1 Abs. 2b GrEStG. Gegen den ihr gegenüber ergangenen Bescheid nach § 1 Abs. 2b GrEStG legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den das Finanzamt noch nicht entschieden hat. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 10.07.2024 ab.

Am 24.06.2024 zeigte die Notarin gegenüber dem Finanzamt an, dass der Kaufpreis am 02.04.2024 auf das Notaranderkonto eingezahlt worden sei.

Der von der Antragstellerin am 02.09.2024 beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg gestellte AdV-Antrag blieb ohne Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.

Es ist bei summarischer Prüfung nicht rechtlich zweifelhaft, dass bei einem Erwerb von Anteilen an einer GmbH, bei dem das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft (Signing) und die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) zeitlich auseinanderfallen, Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) für das Closing festgesetzt werden darf.

Die rechtlichen Zweifel, ob neben der Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG zusätzlich Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG für das Signing festgesetzt werden darf (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 09.07.2025 - II B 13/25 (AdV), siehe unseren Newsflash, Deutsches Steuerrecht 2025, 1752), rechtfertigen keine Aussetzung der Vollziehung in Bezug auf die Festsetzung von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG für das Closing.

Die Entscheidung betrifft jedoch die Frage, ob in solchen Fällen neben einer Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG zusätzlich noch eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfolgen darf, die lediglich auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4a, 5 GrEStG wieder aufgehoben oder geändert werden kann (vgl. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Absatz 3 des Grunderwerbsteuergesetzes vom 05.03.2024, BStBl I 2024, 383, Rz 30) oder ob im Hinblick auf den gesetzlichen Vorrang der Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b vor § 1 Abs. 3 GrEStG (vgl. Einleitungssatz des § 1 Abs. 3 GrEStG) eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG von vornherein zu unterbleiben hat.

Die Gewährung der AdV in Bezug auf eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG, um die es im Streitfall geht und die nach dem gesetzgeberischen Willen Anwendungsvorrang vor einer Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG haben sollte (vgl. BTDrucks 20/4729, S. 152), kann hieraus nicht abgeleitet werden.

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 16. September 2025 (II B 23/25 (AdV)), veröffentlicht am 2. Oktober 2025.

Zum Anfang