EuGH: Umsatzsteuerliche Behandlung bei Factoring durch Forderungsverkauf und Verpfändung

Der Europäische Gerichtshof hat sich, soweit ersichtlich, bisher lediglich in zwei, bereits älteren, Entscheidungen zur umsatzsteuerlichen Einstufung von Leistungen im Bereich des Factorings geäußert. Nunmehr hatte der EuGH auf Vorabentscheidungsfragen des finnischen Gerichts die Gelegenheit, erneut zu Fragen der mehrwertsteuerlichen Behandlung bestimmter Factoring-Tätigkeiten Stellung zu nehmen.

I.  Sachverhalt (verkürzt)

Die finnische A Oy („A)“ erbrachte u. a. Leistungen im Bereich des Factorings, wobei es zwei Vertragsvarianten gab:

Beim Factoring in Form einer Verpfändung gewährt A als Factor ihrem Kunden eine Finanzierung, indem sie dem Kunden in Höhe der unbezahlten Restforderung einen Kredit gewährt. A übernimmt das Mahnwesen und die außergerichtliche Eintreibung der verpfändeten Forderungen. Die Forderungen werden nicht übertragen, dienen aber als Sicherheit für die gewährte Finanzierung.

Beim Factoring in Form eines Forderungsverkaufs kauft A Rechnungsforderungen ihrer Wahl bis zu einem Höchstbetrag an, wobei der Betrag auf einer von A durchgeführten Risikoanalyse der Geschäftstätigkeit des Kunden beruht. Das Ausfallsrisiko geht auf A über.

A erhebt von ihren Kunden verschiedene Entgelte, darunter eine Finanzierungsprovision und eine Einrichtungsgebühr, um deren umsatzsteuerliche Behandlung es u. a. vor dem EuGH ging.

II.  Vorlagefragen

Der EuGH wurde um Beantwortung ersucht, ob diese beiden Gebühren überhaupt in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer-Richtlinie (MwStRL) fallen (und wenn ja, ob diese umsatzsteuerpflichtig oder umsatzsteuerfrei sind), sowie ob Art 135 Abs 1 d der MwStRL, der die Einziehung von Forderungen als nicht befreite Leistung vorsieht, unmittelbar anwendbar ist.

In Anbetracht der Urteile vom 26. Juni 2003, MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring (C305/01), und vom 27. Oktober 2011, GFKL Financial Services (C93/10), fragt sich das vorlegende finnische Gericht im Einzelnen, welche Konsequenzen aus dem Umstand zu ziehen seien, dass es in der bei ihm anhängigen Rechtssache nicht um nicht erfüllte, sondern um künftig fällig werdende Forderungen gehe, und darum, ob eine bestimmte Gebühr zwischen den Parteien konkret vereinbart oder unmittelbar im Kaufpreis der Forderungen berücksichtigt worden sei (hierzu: RZ 32 bis 34 und RZ 51 bis 53 im aktuellen EuGH-Urteil).

III.  Entscheidung des EuGH

A.  Mit der ersten und der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob beim Factoring durch Forderungsverkauf, in dessen Rahmen der Factor den Kunden von der Einziehung von Forderungen und vom Risiko des Zahlungsausfalls entlastet, die vom Kunden gezahlte Finanzierungsprovision und Einrichtungsgebühr als Entgelt für eine in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallende Dienstleistung anzusehen sind.

Dies hat der EuGH bejaht indem er feststellt, dass bei einem Factoring durch Forderungsverkauf, in dessen Rahmen der Factor den Kunden von der Einziehung von Forderungen und dem Risiko des Zahlungsausfalls entlastet,

        die Finanzierungsprovision, die die Dienstleistung der Einziehung von Forderungen vergütet, deren Wert umso höher ist, je länger die Zahlungsfrist und je höher das vom Factor übernommene Risiko ist, und

        die vom Kunden gezahlte Einrichtungsgebühr, die dem Pauschalbetrag entspricht, der für die Einrichtung des Factoring-Mechanismus entrichtet wurde, und insbesondere die Kosten der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Einhaltung der Verpflichtungen aus den geltenden Geldwäschevorschriften deckt,

den tatsächlichen Gegenwert von Dienstleistungen darstellen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen (RZ 27 bis 40 im Urteil).

B.  Mit der dritten und der vierten Frage, soll geklärt werden, ob die der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelte Steuerbefreiung dahin auszulegen ist, dass die Finanzierungsprovision und die Einrichtungsgebühr, die im Rahmen eines Factoring durch Forderungsverkauf oder eines Factoring durch Verpfändung vom Kunden an den Factor gezahlt werden, die Gegenleistung für eine einheitliche und unteilbare Leistung der Einziehung von Forderungen darstellen, die der Mehrwertsteuer unterliegt, oder zumindest teilweise als Entgelt für eine von der Mehrwertsteuer befreite Leistung im Zusammenhang mit der Gewährung eines Kredits anzusehen sind.

Art. 135 Abs. 1 Buchst. b und d MwStRL ist dahin auszulegen, so der EuGH, dass die Finanzierungsprovision und die vom Kunden gezahlte Einrichtungsgebühr, die der Factor im Rahmen von Factoring durch Forderungsverkauf wie des in der Antwort auf die erste und die zweite Frage genannten oder im Rahmen von Factoring durch Verpfändung erhält (…) die Gegenleistung für eine einheitliche und unteilbare Leistung der Einziehung von Forderungen darstellen, die der Mehrwertsteuer unterliegt (RZ 41 bis 69 im Urteil).

C.  Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStRl für die Einziehung von Forderungen vorgesehene Ausnahme von der Steuerbefreiung, falls sie auf Factoring-Dienstleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anwendung findet, unbedingt und hinreichend genau ist, um unmittelbare Wirkung zu entfalten. Dies bejaht der EuGH mit der Folge, dass sich Einzelne vor den nationalen Gerichten auf sie berufen können (RZ 70 bis 79 im Urteil).

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2025 in der Rechtssache C-232/24 - Kosmiro.

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