EuGH: Höhere Schenkungsteuer für ausländische Familienstiftung kein Verstoß gegen freien Kapitalverkehr

In seinem heute veröffentlichten Urteil hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung einer in Liechtenstein ansässigen Familienstiftung gegenüber inländischen Familienstiftungen grundsätzlich und vorbehaltlich der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht gegen die Vorschriften des freien Kapitalverkehrs verstößt. Vorausgegangen war ein Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Köln.

Hintergrund

Eine von einer in Deutschland ansässigen Person im Ausland errichtete Familienstiftung wird hinsichtlich des sogenannten Steuerklassenprivilegs steuerlich schlechter behandelt als eine in Deutschland errichtete. Dieser Unterschied beruht nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung darauf, dass Familienstiftungen in diesem Mitgliedstaat alle 30 Jahre der Zahlung einer „Ersatzerbschaftsteuer“ unterliegen, was bei im Ausland errichteten Familienstiftungen nicht der Fall ist.

Das Finanzgericht Köln hat über einen Rechtsstreit zwischen einer in Liechtenstein ansässigen Familienstiftung zu befinden und den EuGH zwecks Vorabentscheidung angerufen. Um darüber endgültig entscheiden zu können, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine solche Handhabung mit dem freien Kapitalverkehr im Sinne von Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 vereinbar ist.

Der Generalanwalt (GA) sah in seinen Schlussanträgen vom 13. März 2025 keinen Verstoß gegen EU-Recht. Zur Rechtfertigung der deutschen Regelung stützt sich der GA dabei auf die Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu gewährleisten. (siehe hierzu Blogbeitrag vom 13.3.2025 mit Link zum Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Köln).

Entscheidung des EuGH

Der EuGH bestätigte die Einschätzung des GA und entschied, dass Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai - vorbehaltlich der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der für die Besteuerung des Übergangs von Vermögen auf eine Familienstiftung das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zum Stifter nur bei inländischen, einer Ersatzerbschaftsteuer unterliegenden Stiftungen berücksichtigt wird, mit der Folge, dass auf diese Stiftungen eine günstigere Steuerklasse angewandt wird als auf ausländische Familienstiftungen, die dieser Steuer nicht unterliegen.

In seiner Begründung führt der EuGH aus, dass ein Liquiditätsnachteil, der bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt auftritt, eine Beschränkung der Grundfreiheiten darstellt, wenn dieser Nachteil bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt nicht auftritt. Dies treffe im Vorlagefall zu, da die Anwendung des Steuerklassenprivilegs inländischen Familienstiftungen vorbehalten ist und der Vermögensübergang auf eine ausländische Familienstiftung einer höheren steuerlichen Belastung unterworfen wird (RZ 46 – 55 im Urteil).

Die vorliegende Beschränkung (Ungleichbehandlung) ist nur zulässig, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder, anderenfalls, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind.

Die unterschiedliche Behandlung durch die deutsche Regelung betrifft Situationen, die objektiv miteinander vergleichbar sind, so der EuGH. Das Ziel, nur inländischen Familienstiftungen einen Vorteil zu gewähren, da nur ihr Vermögen – anders als das ausländischer Stiftungen – einer turnusmäßigen Besteuerung im Rahmen der Ersatzerbschaftsteuer unterliegt, hänge notwendigerweise und eng mit der Errichtung inländischer Familienstiftungen zusammen, so dass Art. 63 Abs. 1 AEUV, der Beschränkungen des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs gerade verbietet, ausgehöhlt würde, wenn man Situationen allein deshalb für nicht miteinander vergleichbar hielte, weil eine Stiftung in einem anderen Staat ansässig ist (RZ 56 – 64). 

Zur Rechtfertigung eines zwingenden Grund des Allgemeininteresses: Die Berufung auf eine solche Rechtfertigung kann nur dann durchgreifen, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung dargetan ist. Indem der Genuss des Vorteils des Steuerklassenprivilegs nur für inländische Familienstiftungen vorgesehen ist, die später der Ersatzerbschaftsteuer unterliegen, folge die Ausgestaltung dieses Vorteils einer spiegelbildlichen Logik, da ihm in Bezug auf denselben Steuerpflichtigen und dieselbe Besteuerung eine bestimmte steuerliche Belastung gegenübersteht. Diese Logik wäre durchbrochen, wenn dieser Steuervorteil auch ausländischen Familienstiftungen zugutekäme, die in Deutschland nicht der Ersatzerbschaftsteuer unterliegen. Die deutsche Regelung gehe aus Sicht des EuGH grundsätzlich auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (RZ 66 – 77).

Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die streitige Regelung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahingehend beachtet, dass sie nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht. Da Deutschland keine Steuerhoheit über ausländische Familienstiftungen hat, wäre es im Hinblick auf das besagte Ziel verhältnismäßig, so der EuGH, den Vorteil einer günstigeren Steuerklasse auf Situationen zu beschränken, in denen der Vermögensübergang auf eine Familienstiftung zu einer Folgebesteuerung mit der Ersatzerbschaftsteuer führen kann.

Das ausführliche EuGH-Urteil vom 13. November 2025 in der Rechtssache C-142/24 Familienstiftung finden Sie hier.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

 

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