EuGH mit Hinweisen zu Fragen der Nutzungsberechtigung und des Missbrauchs

Der Europäische Gerichtshof hat am 26. Februar 2019 zwei Urteile veröffentlicht. Im Kern ging es dabei um die Frage, welche Anforderungen gestellt werden dürfen bzw. müssen, um missbräuchliches Verhalten bei der Inanspruchnahme von Vorteilen aus der Mutter-Tochter-Richtlinie oder der Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie zu verhindern.

EuGH Urteile zur Nutzungsberechtigung (wirtschaftliches Eigentum) nach Dänischem Recht

Eine der Hauptfragen war dabei die "Nutzungsberechtigung" nach dänischem Recht (sog. "Danish beneficial ownership cases"). Der EuGH erläutert in den Urteilen, was Indizien für die Prüfung eines Missbrauchs sind und wie sich die Beweislast verteilt. Anders als in den EuGH-Urteilen zu § 50d Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) a.F. (Rechtssache Deister Holding / Juhler Holding, siehe weiter unten) und § 50d Abs. 3 EStG n.F. (Rechtssache GH, siehe weiter unten), in denen sich der EuGH eher abstrakt mit dem Thema "Missbrauch" befasst, äußert sich der EuGH in den dänischen Fällen verhältnismäßig konkret zu den heranzuziehenden (objektiven) Kriterien.

Ob es an einer realen wirtschaftlichen Tätigkeit der fraglichen Gesellschaft fehlt, sei anhand der charakteristischen Merkmale der betreffenden Tätigkeit zu ermitteln. Dabei sind sämtliche relevanten Umstände zu berücksichtigen, insbesondere die Geschäftsführung, die Bilanz, die Kostenstruktur, die tatsächlichen Ausgaben, die Beschäftigten, die Geschäftsräume und die Ausstattung der betreffenden Gesellschaft. Indizien für eine künstliche Gestaltung können auch die verschiedenen Verträge zwischen den an den betreffenden Finanztransaktionen beteiligten Gesellschaften sein, die zu konzerninternen Geldtransfers führen, sowie die Modalitäten der Finanzierung der Transaktionen, die Bewertung des Eigenkapitals der Zwischengesellschaften und die fehlende Befugnis der Durchleitungsgesellschaften, wirtschaftlich über die erhaltenen Dividenden zu verfügen. Relevant ist insoweit aber nicht nur die vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung der Muttergesellschaft, die die Dividenden erhält, diese an einen Dritten weiterzuleiten, sondern auch, dass die Gesellschaft, auch wenn keine solche Verpflichtung besteht, „im Wesentlichen“, wie es in den Vorlageentscheidungen heißt, nicht berechtigt ist, über die Dividenden zu verfügen".

Der EuGH äußert sich auch zur Beweislastverteilung. Danach muss im Grundsatz die Finanzverwaltung nachweisen, dass eine Gesellschaft nicht Nutzungsberechtigte, sondern nur Durchleitungsgesellschaft ist, um dieser die Richtlinienvorteile zu versagen. Allerdings muss die Finanzverwaltung nicht noch zusätzlich nachweisen, wer der eigentliche Nutzungsberechtigte ist.

Eine ausführliche Kommentierung der betreffenden EuGH-Urteile finden Sie in unserem EU Direct Tax Newsalert vom 27. Februar 2019

Mögliche Folgerungen für die deutsche Treaty-Shopping-Regelung

Mit Datum vom 4. April 2018 hatte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Schreiben bezüglich der unionsrechtskonformen Anwendung des § 50d Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) im Lichte der vom EuGH entschiedenen Rechtssachen C-504/16 (Deister Holding) und C-613/16 (Juhler Holding) veröffentlicht. Später hat der EuGH in einer weiteren Entscheidung in der Rechtssache C-440/17 (GS) entschieden, dass auch § 50d Abs. 3 EStG in der aktuellen, ab 2012 anwendbaren Fassung sowohl gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie als auch gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt.

Das BMF prüft derzeit die möglichen Auswirkungen der o.g. EuGH-Urteile auf die Regelung des § 50d Abs. 3 EStG und wird sich inhaltlich auch mit der o.g. EuGH-Entscheidung, zu den "Danish beneficial ownership cases", befassen, bevor eine gesetzliche Anpassung vorgeschlagen wird.

Fundstelle

EuGH-Urteile vom 26. Februar 2019, in den verb. Rs. C-116/16, C-117/16 und C-115/16, 118/16, 119/16, 299/16.

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