Keine Tarifbegünstigung bei Realteilung mit Verwertung in Nachfolgegesellschaft
Verwertet ein durch Realteilung ausscheidender Sozius den ihm zugewiesenen Mandantenstamm in einer Nachfolgegesellschaft, liegt nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) kein tarifbegünstigter Aufgabegewinn vor.
Sachverhalt
Der Kläger war Gesellschafter einer Rechtsanwaltssozietät, die in mehreren Großstädten Standorte unterhalten hatte. Im Jahr 2001 entschieden die Gesellschafter, die Sozietät durch Realteilung aufzulösen, was eine Betriebsaufgabe zur Folge hatte. Das Vermögen der aufgelösten Sozietät wurde auf Nachfolgegesellschaften übertragen, die die Partner der einzelnen Standorte gegründet hatten.
Auch der Kläger wurde zunächst Gesellschafter einer solchen Nachfolgegesellschaft. Er schied jedoch bereits unmittelbar nach der Gründung der Nachfolgegesellschaft gegen Zahlung einer Abfindung aus. Der Kläger vertrat die Meinung, dass er wirtschaftlich betrachtet aus der Sozietät ausgeschieden sei und folglich der im Zusammenhang mit der Auflösung der Sozietät entstandene anteilige Aufgabegewinn tarifbegünstigt zu besteuern sei. Weiterhin hätte er auf Ebene der Nachfolgegesellschaft einen Veräußerungsverlust erlitten.
Entscheidung des BFH
Die Auffassung des Klägers lehnt der BFH ab und gewährt die streitige Tarifbegünstigung gem. §§ 18 Abs. 3, 16 Abs. 4, 34 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den anteiligen Aufgabegewinn aus der Sozietät nicht.
Voraussetzung der Tarifbegünstigung im Fall einer Betriebsaufgabe durch Realteilung sei, dass die anteiligen vermögensmäßigen Grundlagen der freiberuflichen Tätigkeit des Realteilers in der Sozietät aufgegeben werden. Daran fehlt es nach Auffassung des BFH jedoch, wenn der Kläger die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen seiner beruflichen Tätigkeit in der Sozietät in Gestalt des anteiligen Mandantenstamms erst mit seinem Ausscheiden aus der Nachfolgegesellschaft endgültig aus der Hand gebe.
Der Kläger hat nicht bereits mit der Realteilung der Sozietät die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen seiner bisherigen freiberuflichen Tätigkeit aufgegeben, sondern diese auf die Nachfolgegesellschaft übertragen und dort verwertet, indem er in einem zweiten Schritt gegen Zahlung einer Abfindung aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.
Der BFH wendet sich auch gegen die Ansicht des Klägers, dass die Realteilung der Sozietät und sein Ausscheiden aus der Nachfolgegesellschaft als einheitlicher (wirtschaftlicher) Vorgang anzusehen seien. Die mehraktige Gestaltung sei durch die Beteiligten bewusst gewählt worden.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 15.1.2019 (VIII R 24/15), veröffentlicht am 11. Juli 2019.