Bundesfinanzhof bestätigt neues Reisekostenrecht

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass das steuerliche Reisekostenrecht, das seit dem Jahr 2014 den Werbungskostenabzug für nicht ortsfest eingesetzte Arbeitnehmer und Beamte einschränkt, verfassungsgemäß ist. Zeitgleich hat der BFH vier weitere Urteile veröffentlicht, die die Folgen der geänderten Rechtslage für andere Berufsgruppen, wie etwa Piloten, Luftsicherheitskontrollkräfte oder befristet Beschäftigte, verdeutlichen.

Hintergrund

Beruflich veranlasste Fahrtkosten von nichtselbständig Beschäftigten sind grundsätzlich in Höhe des tatsächlichen Aufwands als Werbungskosten steuerlich abziehbar. Der Abzug von Aufwendungen für den Weg zwischen der Wohnung des Steuerpflichtigen und seinem Arbeits- oder Dienstort ist auf die sogenannte PKW-Entfernungspauschale beschränkt.

Das neue Recht definiert den Arbeits- oder Dienstort als "erste Tätigkeitsstätte", die sich anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber bestimmt, § 9 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG). Nach altem Recht kam es hingegen auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers an. Diese Änderung wirkt sich sowohl auf die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Entfernungspauschale als auch auf die Verpflegungspauschalen aus.

Sachverhalt

Im Streitfall handelte es sich bei dem Steuerpflichtigen um einen Polizisten, der arbeitstäglich zunächst seine Dienststelle aufsuchte und von dort seinen Einsatz- und Streifendienst antrat. In der Dienststelle selbst war der Steuerpflichtige im Wesentlichen nur mit der Vor- bzw. Nachbereitung seines Einsatz- und Streifendienstes beschäftigt.

Der Steuerpflichtige nahm an, dass keine erste Tätigkeitsstätte vorliege, da er schwerpunktmäßig außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig sei. Aus diesem Grund machte er Fahrtkosten von seiner Wohnung zu der Polizeidienststelle sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen in seiner Einkommensteuererklärung für 2015 geltend.

Die Finanzbehörde berücksichtigte Fahrtkosten lediglich in Höhe der Entfernungspauschale und keine Mehraufwendungen für Verpflegung. Die Klage des Steuerpflichtigen wies das Niedersächsische Finanzgericht ab.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts nun bestätigt. Entscheidend sei nach neuem Recht, ob der Arbeitnehmer oder Beamte einer ersten Tätigkeitsstätte durch arbeits- oder dienstrechtliche Festlegungen sowie diese ausfüllende Absprachen und Weisungen des Arbeitgebers (Dienstherrn) dauerhaft zugeordnet ist.

Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kommt es auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht an. Nach Auffassung des BFH liegt diese Voraussetzung vor, wenn der Arbeitnehmer (Beamte) am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat. Im Hinblick auf Schreibarbeiten und Dienstantrittsbesprechungen war dies beim Steuerpflichtigen der Fall.

Der BFH hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neuregelung. Da sich Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken könnten, habe der Gesetzgeber sein Regelungsermessen nicht überschritten

Entscheidungen zu weiteren Berufsgruppen

Ein weiterer Streitfall, den der BFH entschieden hat (VI R 40/16), betraf eine Pilotin, die ebenfalls Fahrtkosten zwischen Wohnung und Flughafen sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen erfolglos gegenüber Finanzbehörde und dem Finanzgericht Hamburg geltend gemacht hatte.

Der BFH hat auch dieses Finanzgerichtsurteil bestätigt. Nach Auffassung des BFH hat fliegendes Personal, wie Piloten oder Flugbegleiter, das von seinem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die arbeitsvertraglich geschuldet sind, auch dort seine erste Tätigkeitsstätte.

Die Pilotin verfügte nach Ansicht des BFH am Flughafen über eine erste Tätigkeitsstätte, da sie in den auf dem Flughafengelände gelegenen Räumen der Airline in gewissem Umfang auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Flugvor- und Flugnachbereitung zu erbringen hatte. Dass sie überwiegend im internationalen Flugverkehr tätig war, sei unerheblich.

Auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) kommt nach dem Urteil des BFH als (großräumige) erste Tätigkeitsstätte in Betracht.

Auch bei einer Luftsicherheitskontrollkraft, die auf dem gesamten Flughafengelände eingesetzt wurde, hat der BFH (VI R 12/17) den Ansatz der Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen abgelehnt.

Entscheidungen zu befristeten Arbeitsverhältnissen

Im Fall von befristeten Arbeitsverhältnissen hat der BFH in zwei weiteren Urteilen (VI R 36/16 und VI R 6/17) entschieden, dass eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer des befristeten Dienst- oder Arbeitsverhältnisses an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung tätig werden soll. Wird der Arbeitnehmer während der Befristung zu einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet, stellt letztere keine erste Tätigkeitsstätte mehr dar, weshalb ab diesem Zeitpunkt wieder die Dienstreisegrundsätze Anwendung finden.

Während der BFH in der Sache VI R 6/17 dem Steuerpflichtige Recht gab und damit die Klagestattgabe des Niedersächsischen Finanzgerichts bestätigte, verwies er den Fall VI R 36/16 an das Finanzgericht Hamburg zur Klärung der Frage zurück, ob überhaupt ortsfeste Einrichtungen vorliegen.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 4.4.2019 (II R 27/16), veröffentlicht am 18.07.2019.

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