Anordnung einer Außenprüfung bei Anfangsverdacht einer Steuerstraftat

Für die (erstmalige) Anordnung einer Außenprüfung ist es unerheblich, ob hinsichtlich der betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat besteht.

Verstöße gegen § 10 BpO, insbesondere gegen die Belehrungspflichten und damit gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit, führen nicht zur Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Beschluss entschieden.

Sachverhalt

Der Kläger ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Im Prüfungszeitraum war er Gesellschafter der Prozessbevollmächtigten (einer Steuerberatungsgesellschaft) und zugleich bei dieser angestellt. Anfang 2002 übernahm er einen landwirtschaftlichen Pferdezuchtbetrieb, aus dem er seither Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärte.

Eine dritte - dem Kläger nicht bekannte Person - wies das Finanzamt darauf hin, dass der Kläger Kosten der privaten Lebensführung und Betriebsausgaben des Zuchtbetriebs in der Gewinnermittlung der Steuerberatungsgesellschaft erfasst habe. In der Folge nahm die Steuerfahndung Ermittlungen gegen den Kläger auf und das Finanzamt erweiterte den Prüfungszeitraum einer bereits laufenden Außenprüfung.

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Prüfungsanordnung und Prüfungserweiterung insbesondere wegen eines Verstoßes gegen § 393 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), § 10 Betriebsprüfungsordnung (BpO) rechtswidrig seien. Das Finanzamt habe ihn schon bei Erlass der Prüfungsanordnung aufgrund der falschen Anschuldigung eines Dritten der Begehung einer Steuerstraftat verdächtigt und ihn bei Beginn der Prüfung hierüber weder in Kenntnis gesetzt noch steuer(strafrecht)lich belehrt. Damit sei der verfassungsmäßig garantierte Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit des Klägers unterlaufen worden.

Die Klage vor dem Finanzgericht Köln blieb ohne Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Für die Anordnung einer Außenprüfung ist unerheblich, ob hinsichtlich der betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat besteht. Dies gilt auch, soweit die erstmalige Anordnung einer Außenprüfung in Rede steht. Insoweit ist nicht zwischen erstmaligen Prüfungen und Anschlussprüfungen zu unterscheiden (BFH, Urteil vom 15. Juni 2016 - III R 8/15).

Denn die Anordnung einer Außenprüfung ist auch zulässig, soweit ausschließlich festgestellt werden soll, ob und inwieweit Steuerbeträge hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind. Eine sich insoweit gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung besteht nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist es möglich und zulässig, dass Ermittlungsmaßnahmen des Außenprüfers eine Doppelfunktion haben: die Ermittlung des steuerlichen und die des strafrechtlichen Sachverhalts.

Ist gegen den Steuerpflichtigen ein Strafverfahren eingeleitet worden, ist er gemäß § 393 Abs. 1 Satz 4 AO darüber zu belehren, soweit dazu Anlass besteht. Entsprechendes regelt § 10 BpO. Verstöße hiergegen --insbesondere gegen die Belehrungspflichten und damit gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit-- führen jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung. Denn die vorgenannten Regelungen betreffen nicht die Voraussetzungen, unter denen eine Außenprüfung angeordnet werden kann, und damit das "ob", sondern bestimmen, nach welchen rechtstaatlichen Grundsätzen und damit "wie" eine zuvor angeordnete Prüfung durchzuführen ist.

Zudem richten sich die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften. Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren stehen grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinander (BFH, Urteil vom 23. Januar 2002 - XI R 10).

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 14. April 2020 (VI R 32/17), veröffentlicht am 23. Juli 2020.

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