Update: Kein negativer Progressionsvorbehalt für Verluste aus österreichischem Hotelbetrieb
Für Verluste aus einem Hotelbetrieb im EU-Ausland ist kein negativer Progressionsvorbehalt möglich. Der Betrieb von Anlagen, die dem Fremdenverkehr dienen, stellt eine den Progressionsvorbehalt ausschließende passive Betriebsstättentätigkeit dar. Dies verstößt nach Auffassung des Finanzgerichts München auch nicht gegen die Niederlassungsfreiheit.
Die Klägerin ist Gesellschafterin einer KG in Österreich. Aufgrund hoher Investitionen wurden im Streitjahr 2009 und auch in den Jahren zuvor dort ausschließlich Verluste erzielt. In Deutschland wurden positive Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Verluste aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Daraus ergibt sich folgende steuerliche Konstellation: Die Klägerin ist mit ihrem im Inland erzielten Einkommen unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, und zwar mit ihrem Welteinkommen. Sie ist doppelt ansässig, da sie sowohl im Inland als auch im Ausland einen Wohnsitz hat. Allerdings ist das Besteuerungsrecht nach dem DBA-Österreich eingeschränkt: Die Einkünfte aus der Praxis unterliegen der deutschen Besteuerung, ebenso die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Für die erzielten gewerblichen Verluste aus dem Hotelbetrieb steht Österreich das Besteuerungsrecht zu. Die Klägerin beantragte die Berücksichtigung eines negativen Progressionsvorbehalts. Das Finanzamt hatte dies abgelehnt, weil § 2a Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz den "Betrieb von Anlagen, die dem Fremdenverkehr dienen" als passive Betriebsstättentätigkeit qualifiziert, was den Ausschluss des Progressionsvorbehalts zur Folge habe. Die Klägerin sieht darin eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit.
Das Finanzgericht lehnte die Klage ab. Der EuGH hatte im Urteil vom 29. März 2007 (C-237/04, Rewe Zentralfinanz) einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gerügt, sofern bei Betriebsstätten, die eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs ausübten, der Ausgleich mit positiven Einkünften von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht werde. Als Reaktion auf dieses Urteil hatte der deutsche Gesetzgeber Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus einer gewerblichen Betriebsstätte im EU-/EWR-Ausland, für die Deutschland nach DBA kein Besteuerungsrecht hat, vom (positiven und negativen) Progressionsvorbehalt ausgenommen, wenn die Betriebsstätte eine besagte passive Tätigkeit ausübt. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass Auslandsverluste unter dem Gesichtspunkt der EG-Grundfreiheiten im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts nicht berücksichtigt werden müssen, wenn im Gegenzug auch Auslandseinkünfte im Rahmen des positiven Progressionsvorbehalts nicht berücksichtigt werden. Dieser Auffassung stimmt nun auch das Finanzgericht unter dem Blickwinkel der Wahrung der steuerlichen Kohärenz zu. Diese sei nur gewahrt, wenn sowohl positive als auch negative Einkünfte vom Progressionsvorbehalt ausgeschlossen sind. Der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit werde dadurch gerechtfertigt, dass die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten gewahrt wird. Zudem gelte es, die Gefahr einer doppelten Verlustnutzung im Jahr der Entstehung und nochmals im Jahr der Verrechnung mit nachfolgend erzielten positiven Einkünften zu vermeiden (Ausnahme bei sog. finalen Verlusten).
Update (6. August 2020)
Laut LEXinform rechtskräftig. Die vom Finanzgericht zugelassene und eingelegte Revision (I R 1/16) wurde zurückgenommen.
Fundstelle
Finanzgericht München, Urteil vom 23. November 2015 (7-K-3198/14), rkr.