Eintritt der Abgeltungswirkung mit dem Steuerabzug bei einem betrügerischen Schneeballsystem

Das Finanzgericht Nürnberg hat entschieden, dass die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer auch dann eintritt, wenn die Kapitalertragsteuer nicht angemeldet und an das Finanzamt abgeführt wird, sondern lediglich dem Anleger gegenüber in einer Abrechnung ausgewiesen und abgezogen wird.

Sachverhalt

Streitig ist, ob bei einem betrügerischen Schneeballsystem die Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) auch dann eintritt, wenn die Kapitalertragsteuer nicht angemeldet und an das Finanzamt abgeführt wurde, sondern lediglich dem Anleger gegenüber in einer Abrechnung ausgewiesen wurde.

Der Kläger überwies in den Jahren 2010 - 2013 an Vermögensverwalter B Geld für Aktienkäufe im Rahmen von dessen Vermögensverwaltung „Z“, die in Wirklichkeit jedoch nicht oder nicht vollständig getätigt wurden. B bescheinigte dem Kläger erhebliche Gewinne aus dem Verkauf der angeblich erworbenen Akten. Auf diesen Abrechnungen wies er den rechnerisch zutreffenden Einbehalt von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag aus. Diese Beträge führte er jedoch nicht an das Finanzamt ab. Die verbliebenen Gewinne zahlte B an den Kläger aus. Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 und 3 EStG erstellte B nicht. Die von B nach dessen Angaben getätigten Veräußerungsgeschäfte blieben im Rahmen der ursprünglichen Einkommensteuerveranlagungen unberücksichtigt.

Das Finanzamt setzte die Veräußerungsgewinne mit den Beträgen angesetzt, die nach der Kürzung um die durch B einbehaltene Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag verblieben, da auch Scheinrenditen zu steuerbaren Einnahmen führten. Durch den schlichten Ausweis von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auf einem fingierten Depotauszug sei keine Abgeltungswirkung i. S. d. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG eingetreten, da die Kapitalerträge nicht tatsächlich dem Kapitalertragsteuerabzug unterlegen hätten. Die Einkünfte seien daher gem. § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen.

Nach Auffassung des Klägers sei der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen, dass die Abgeltungswirkung von einer Abführung der Steuer an das Finanzamt abhängen sollte. Durch die Ausnahmeregelung in § 44 Abs. 5 EStG sei das Risiko des Ausfalls der abzuführenden, einbehaltenen Steuer zwischen dem Fiskus und dem Kapitalanleger aufgeteilt worden. Auf die bezüglich der Abgeltungswirkung vergleichbare Regelung zu § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG werde verwiesen.

Richterliche Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht Nürnberg hatte Erfolg.

Das Finanzamt hat auf die Gewinne aus den angeblichen Aktienverkäufen zu Unrecht Steuer festgesetzt, da die Einkommensteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag) insoweit mit dem Steuerabzug abgegolten ist.

Für die Auffassung des Finanzamts, Kapitalerträge hätten der Kapitalertragsteuer nur unterlegen, wenn die Steuer angemeldet und abgeführt worden sei, gibt es weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung Anhaltspunkte.

Der Kläger hat nicht gewusst, dass B die einbehaltende Kapitalertragsteuer entgegen seiner Verpflichtung nach § 45a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht angemeldet und entgegen seiner Verpflichtung nach § 44 Abs. 1 Satz 5 EStG auch nicht an das Finanzamt abgeführt hat. Er kann deshalb nicht nach § 44 Abs. 5 EStG in Anspruch genommen werden.

Würde man mit dem Finanzamt - entgegen dem Gesetzeswortlaut - für die Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG auf die Abführung der Kapitalertragsteuer abstellen, so würde der Ausschluss nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG leerlaufen, der den Ausschluss unter die Voraussetzung der Kenntnis des Schuldners von der nicht vorschriftsmäßigen Abführung stellt.

Damit hat der Steuerabzug abgeltende Wirkung. Die Einkünfte werden nicht Teil des Veranlagungsverfahrens. Dies ist kein Fall der Steueranrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG. Eine Bescheinigung nach § 45a Abs. 2 oder 3 EStG ist nicht erforderlich.

Fundstelle

Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 11. Dezember 2019 (5 K 1283/18); die Revision ist beim BFH unter dem Az. VIII R 3/20 anhängig.

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