Änderung eines Grunderwerbsteuerbescheids nach Kaufpreisherabsetzung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass die Herabsetzung der Gegenleistung i.S. des § 16 Abs. 3 GrEStG keine Änderung der festgesetzten Grunderwerbsteuer als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ermöglicht.

Sachverhalt

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 07. August 2007 erwarb die Klägerin Grundvermögen, woraufhin das Finanzamt im selben Jahr die Grunderwerbsteuer festsetzte. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Mit Schreiben vom 13. September 2012 beantragte die Klägerin eine Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids aus dem Jahr 2007 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO), da der Grundstückskaufpreis nachträglich gemindert worden sei.

Das Finanzamt lehnte am 11. Oktober 2012 den Antrag mangels Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ab. Einen Antrag auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids gemäß § 16 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) habe die Klägerin zu spät gestellt.

Die Klage vor dem Finanzgericht München blieb ohne Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Änderung des bestandskräftigen Grunderwerbsteuerbescheids hat. Ein solcher ergibt sich weder aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO noch aus § 16 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG.

Ein nachträgliches Ereignis mit steuerrechtlicher Rückwirkung muss zu einer Änderung des Sachverhalts führen, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat, und nicht nur zu einer veränderten (rechtlichen) Beurteilung des nämlichen Sachverhalts (vgl. BFH, Urteil v. 17. Mai 2017, II R 60/15, BFH, Urteil v. 12. März 2019, IX R 2/18).

Der Umstand, dass einem Ereignis ertragssteuerrechtlich Rückwirkung zukommt, ist somit für Zwecke der Grunderwerbsteuer nicht ausschlaggebend (vgl. BFH, Beschluss v. 4. November 2019, II B 48/19, siehe unseren Blogbeitrag).

Die Herabsetzung der Gegenleistung i.S. des § 16 Abs. 3 GrEStG ermöglicht nach der insoweit zwingenden gesetzlichen Systematik keine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Das folgt aus § 16 Abs. 4 GrEStG und § 175 Abs. 1 Satz 2 AO und entspricht dem Grundsatz, dass die steuerrechtliche Wirkung für die Vergangenheit autonom für das jeweilige materielle Steuergesetz zu beurteilen ist (vgl. BFH, Beschluss v. 4. November 2019, II B 48/19).

Wäre ein Ereignis, das nach § 16 Abs. 1 bis 3 GrEStG die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung begründet, namentlich die Herabsetzung der Gegenleistung, ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, liefe § 16 Abs. 4 GrEStG ausnahmslos leer. Denn mit dem Ende des Kalenderjahres einer Kaufpreisherabsetzung i.S. des § 16 Abs. 3 GrEStG würde dann die vierjährige Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO erneut beginnen. Damit bedürfte es des § 16 Abs. 4 GrEStG nicht, wonach die Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 AO) lediglich nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses endet. Eine Auslegung, mit der eine gesetzliche Vorschrift jeglichen Anwendungsbereich verlöre, widerspräche der gesetzlichen Systematik, kann von Gesetzes wegen nicht gewollt sein und wäre offenkundig unzutreffend (vgl. BFH, Beschluss v. 4. November 2019, II B 48/19).

Fundstelle

BFH, Urteil vom 22. Juli 2020 (II R 15/18), veröffentlicht am 12. November 2020.

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