Voraussetzungen der steuerrechtlichen Anerkennung mehrstöckiger Freiberufler-Personengesellschaften

Eine Unterpersonengesellschaft erzielt freiberufliche Einkünfte, wenn neben den unmittelbar an ihr beteiligten natürlichen Personen alle mittelbar beteiligten Gesellschafter der Obergesellschaften über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und in der Unterpersonengesellschaft zumindest in geringfügigem Umfang leitend und eigenverantwortlich mitarbeiten.

Die freiberufliche Tätigkeit einer Unterpersonengesellschaft wird nicht bereits dadurch begründet, dass jeder Obergesellschafter zumindest in einer anderen Unterpersonengesellschaft des Personengesellschaftsverbunds als Freiberufler leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin war eine KG, an der über eine Holding-KG zwei Obergesellschaften beteiligt waren, deren Gesellschafter jeweils ausschließlich Berufsträger (Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer) waren. Die Holding-KG war neben der Klägerin an weiteren Untergesellschaften aus anderen Regionen beteiligt.

An der Klägerin und den weiteren Untergesellschaften war jeweils ein Obergesellschafter als Komplementär beteiligt, der (nur) dort als Geschäftsführer leitend und eigenverantwortlich tätig wurde. Sämtliche Obergesellschafter waren im Konzern aktiv in der Mandatsbearbeitung tätig; daneben bestanden überregionale Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Branchenschwerpunkten. Die Obergesellschafter trafen zudem Entscheidungen über wesentliche Maßnahmen in den Untergesellschaften.

Das Finanzamt behandelte die von der Klägerin erzielten Einkünfte bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Mit ihrer Klage gegen den Feststellungsbescheid begehrte die Klägerin die Feststellung von Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit.

Die Klage vor dem Finanzgericht Schleswig-Holstein blieb ohne Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin hat insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.

Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden (BFH, Urteil v. 14. Mai 2019, VIII R 35/16). Die bloße Zugehörigkeit zu einer der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Berufsgruppen reicht nicht aus (BFH, Urteil v. 18. Oktober 2006, XI R 9/06).

Dem Umstand, dass die freie Berufstätigkeit durch die persönliche, qualifizierte Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt wird, ist auch Rechnung zu tragen, wenn sich eine Personengesellschaft (Obergesellschaft) an einer anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt. Wie der Verweis in § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG auf die Regelung doppelstöckiger gewerblicher Personengesellschaften in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zeigt, kann es auch im Rahmen des § 18 EStG zu mittelbaren Beteiligungen von Angehörigen eines freien Berufs kommen (BFH, Urteil v. 28. Oktober 2008, VIII R 69/06).

Weil jeder Gesellschafter eigenverantwortlich und leitend tätig sein muss, ist zur Anerkennung einer mehrstöckigen Freiberufler-Personengesellschaft weiter zu verlangen, dass alle Obergesellschafter --zumindest in geringfügigem Umfang-- auch in der Untergesellschaft leitend und eigenverantwortlich mitarbeiten.

Nach diesen Maßstäben hat das Finanzgericht die von der Klägerin erzielten Einkünfte zutreffend als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert, da im Streitfall nicht sämtliche mittelbar an der Klägerin beteiligten Obergesellschafter leitend und eigenverantwortlich in der Klägerin als Untergesellschaft tätig waren.

Eine freiberufliche Tätigkeit der Klägerin folgt auch nicht daraus, dass im S-Konzern überregionale Arbeitsgruppen bestanden, in denen die Obergesellschafter als Spezialisten bei der Bearbeitung von Mandaten anderer Untergesellschaften mitgewirkt haben. Denn nach den Feststellungen des Finanzgericht war eine Mitarbeit sämtlicher Obergesellschafter weder im Hinblick auf die Mandate der Klägerin noch im Hinblick auf die Mandate der anderen Untergesellschaften gegeben.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 04. August 2020 (VIII R 24/17), veröffentlicht am 12. November 2020.

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