Auskunftsersuchen an Dritte ohne vorherige Sachverhaltsaufklärung beim Steuerpflichtigen

Um ein Auskunftsersuchen an andere Personen als die Beteiligten richten zu dürfen, muss entweder die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führen (Alternative 1) oder diese keinen Erfolg versprechen (Alternative 2).

Um eine Prognose zu den fehlenden Erfolgsaussichten einer Auskunft durch die Beteiligten machen zu können, bedarf es eines klar umrissenen und für die Besteuerung des Steuerpflichtigen erheblichen Sachverhalts; Ermittlungszweck und potentielles Ermittlungsergebnis müssen erkennbar sein. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Der Kläger betrieb in den Jahren 2009 bis 2011 einen Handel mit Kraftfahrzeugen, insbesondere mit Gebrauchtwagen. Im Rahmen einer Außenprüfung konnte eine Prüferin anhand der vom Kläger übergebenen Unterlagen die Lieferketten zwischen dem letzten Halter und dem Verkäufer nicht nachvollziehen. Fahrzeugbriefe waren nach dem Weiterverkauf der Fahrzeuge im Betrieb des Klägers nicht mehr vorhanden.

Da die Prüferin bestimmte Umsätze des Klägers mit Gebrauchtfahrzeugen als auffällig ansah, hielt sie es für nötig, die letzten Halter um weitere Auskünfte zu bitten. Sie ging dabei davon aus, dass diese Halter dem Kläger unbekannt seien und meinte infolgedessen, eine vorherige Anfrage beim Kläger könne unterbleiben.

Die Klage vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte keinen Erfolg.

Der Kläger macht im Rahmen seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensmängel geltend. Das Finanzgericht verkenne die inhaltlichen Schranken für ein Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) und erwecke den Eindruck, dem Finanzamt sei jedes aus seiner Sicht für sachdienlich gehaltene Auskunftsersuchen erlaubt.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Das finanzgerichtliche Urteil verletzt Bundesrecht, weil notwendige Feststellungen des Finanzgericht im Rahmen seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der streitigen Auskunftsersuchen dazu fehlen, ob das Finanzamt vor deren Erlass bei seiner Prognose hinreichend erwogen hat, inwieweit die beabsichtigte Sachverhaltsaufklärung durch den Kläger (offenkundig) keinen Erfolg versprechen würde. Dazu hätte das Finanzgericht ermitteln müssen, welches Ziel das Finanzamt im Hinblick auf den aus seiner Sicht für die Besteuerung des Klägers erheblichen Sachverhalt verfolgt hat und inwieweit dieses hierfür erforderlich gewesen ist.

Ausgehend davon, dass jedes Auskunftsersuchen ein anfechtbarer Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO ist (BFH, Urteil vom 29. Juli 2015, X R 4/14), wird das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang feststellen müssen, ob und wenn ja welchen konkreten Ermittlungszweck das Finanzamt in jedem Einzelfall verfolgte, so dass es im Rahmen seiner Prognose vor dem Erlass jedes Auskunftsersuchens von einer Erfolglosigkeit der Sachaufklärung durch den Kläger ausgehen durfte.

Kann dies nicht angenommen werden, wird das Finanzgericht darüber hinaus überprüfen müssen, ob in diesem Einzelfall bereits ein atypischer Fall vorliegt, der es erlaubt, den ersten Halter als andere Person um Auskunft zu ersuchen. Dabei ist die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu beachten (weiterführend BFH, Urteil vom 29. Juli 2015, X R 4/14).

Fundstelle

BFH, Urteil vom 28. Oktober 2020 (X R 37/18), veröffentlicht am 07. Januar 2021.

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