EuGH: Versagung des Zinsabzugs für steuerlich motiviertes grenzüberschreitendes Darlehen verstößt gegen EU-Recht

Der EuGH hat entschieden, dass eine schwedische Regelung, die einer inländischen Gesellschaft den Zinsabzug für ein Darlehen einer verbundenen französischen Gesellschaft deswegen versagt, weil die Darlehensbeziehung überwiegend steuerlich motiviert war, während die Zinsen für ein Darlehen einer inländischen Darlehensgeberin - in einer sonst identischen Situation - abziehbar gewesen wären, gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt.

Sachverhalt

Die Klägerin (Lexel AB) ist eine schwedische Kapitalgesellschaft, die zu einem französischen Konzern gehört. Sie zahlte in 2013 und 2014 Darlehenszinsen an eine zu demselben Konzern gehörende französische Gesellschaft (BF). Das Darlehen hatte Lexel AB dazu verwendet, 15% der Anteile an einer belgischen Konzerngesellschaft (SESI) von einer spanischen Konzerngesellschaft zu erwerben. Die übrigen 85% an der SESI gehörten einer französischen Konzerngesellschaft. Die Zinserträge wurden in den Jahren 2013 und 2014 in Frankreich nicht besteuert, weil die BF zu einer französischen Steuergruppe gehörte, die Verlustvorträge hatte und diese nutzen konnte. Nach schwedischem Recht gilt u. a. die sogenannte Motivregel: Zinsen sind nicht abziehbar, wenn hauptsächliches Motiv (mind. 75%) der Darlehensaufnahme ein Steuervorteil ist. Die schwedische Steuerverwaltung vertrat die Ansicht, dass die Lexel AB und die BF das konzerninterne Darlehen hauptsächlich mit dem Motiv der Steuerersparnis begründet hätten. In Schweden habe man die Zinsen abziehen und in Frankreich die Verlustvorträge nutzen wollen. Zudem sei die Ausnahmebestimmung mit Art. 49 AEUV über die Niederlassungsfreiheit vereinbar. Dieser letzte Punkt stand nun vor dem EuGH auf dem Prüfstand.

Entscheidung des EuGH

Nach Meinung des EuGH liegt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor, weil im vorliegenden grenzüberschreitenden Fall der Lexel AB der Zinsabzug aufgrund der Motivregel versagt wird, während dies im reinen Inlandsfall nicht passieren würde. Die Beschränkung lasse sich auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigen.

Die Beschränkung kann nicht durch die Absicht gerechtfertigt werden, Steuerbetrug und Steuerumgehung zu bekämpfen, da die Motivregel nicht nur auf rein künstliche Gestaltungen Anwendung findet und dem Steuerpflichtigen nicht die Möglichkeit eröffnet, wirtschaftliche Gründe für die Gestaltung vorzutragen.

Die Beschränkung ist auch nicht durch die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt, weil ihr Zweck nicht darin liegt, zu verhindern, dass der Stpfl. nach Belieben bestimmen kann, in welchem Mitgliedstaat er Gewinne versteuert und Verluste abzieht. Sie dient vielmehr dazu, die Aushöhlung der schwedischen Steuerbemessungsgrundlage durch konzerninterne grenzüberschreitende Darlehen zu verhindern, und zwar auch dann, wenn das Darlehen fremdüblich ist.

Auch eine Rechtfertigung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch eine Gesamtbetrachtung der Rechtfertigungsgründe der Bekämpfung der Steuerumgehung und der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse lehnte der EuGH ab. Eine Gesamtbetrachtung sei dann nicht möglich, wenn die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse allein - wie im vorliegenden Fall - kein einschlägiger Rechtfertigungsgrund sei.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 20. Januar 2021 (C‑484/19), Lexel AB

Eine englische Zusammenfassung des EuGH-Urteils finden Sie hier.

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