Update: Rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns II bei Abwärtsverschmelzung

Die Verschmelzung einer Mutter-auf ihre Tochtergesellschaft (sog. down-stream-merger) löst bei der Tochtergesellschaft die rückwirkende Besteuerung eines sog. Einbringungsgewinns II aus den Vorjahren im Jahr der Einbringung aus. Dies hat das Hessische Finanzgericht entschieden.

Sachverhalt

Laut Sachverhalt wurde eine GmbH & Co. KG, zu deren Vermögen der Anteil an einer Kapitalgesellschaft gehörte (T-GmbH), im Jahr 2007 in die M-GmbH eingebracht. Die im Zuge der Einbringung übergehenden Anteile an der T-GmbH waren damit sperrfristbehaftet (§ 22 Abs. 2 Satz 1 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG)). An der T-GmbH waren neben der M-GmbH mehrere natürliche Personen beteiligt.

Mit steuerlicher Rückwirkung auf den 31. Dezember 2008 wurde die M-GmbH auf die T-GmbH abwärts verschmolzen. Besonderheit des Urteilsfalls war es, dass dem Anteilseigner der M-GmbH im Rahmen der Verschmelzung keine neuen Anteile an der T-GmbH gewährt wurden. Er behielt lediglich neben den übrigen Anteilseignern der T-GmbH seine zuvor bestehende, direkte Beteiligung an der T-GmbH. Die Übertragung des Vermögens erfolgte somit ausdrücklich ohne Gegenleistung.

Richterliche Entscheidung

Das Hessische Finanzgericht entschied, dass die Abwärtsverschmelzung der M-GmbH auf ihre Tochtergesellschaft zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns II führt.

Rechtsgrundlage hierfür war laut Finanzgericht der Ersatzrealisationstatbestand der unentgeltlichen Übertragung nach § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UmwStG und nicht die (entgeltliche) Veräußerung i.S.v. § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG. Dies begründete das Gericht auch unter Rückgriff auf die Urteilsgrundsätze des BFH v. 9.11.2010 (IX R 24/09), indem es von einer Übertragung von stillen Reserven auf ein anderes Steuersubjekt sowie vom Vorliegen einer verdeckten Einlage ausging.

In diesem Zusammenhang setzt sich das Gericht auch kritisch mit Rn. 00.02 sowie 22.07 und 22.22 f. des UmwSt-Erlasses vom 11. November 2011 auseinander und stellt fest, dass Einbringungen und Umwandlungen nicht per se Veräußerungs- bzw. Anschaffungsvorgänge hinsichtlich des übertragenen Vermögens darstellen. Es komme darauf an, ob die Übertragung gegen ein Entgelt erfolgt – bei Verschmelzungen gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten. Hieran fehle es im Urteilsfall allerdings, da auf die Gewährung von Gesellschaftsrechten verzichtet wurde. Die aktuelle Rechtsprechung des BFH vom 24. Januar 2018 (I R 48/15) stehe dem Ergebnis nicht entgegen.

Update (30. Januar 2023)

Mit Urteil vom 11. Oktober 2022 (I R 18/20) hat der BFH das vorinstanzliche Zwischenurteil des Hessischen FG (8 K 339/15) aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben. Das FG durfte – so der BFH – über die angesprochene Rechtsfrage nicht ohne weitere Feststellungen vorab durch Zwischenurteil nach § 99 Abs. 1 FGO (sog. Grundurteil) entscheiden. Eine Umdeutung des Urteils in ein Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 FGO hielt der BFH nicht für möglich, weil das FG die Beteiligten ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass evtl. ein Zwischenurteil nach § 99 Abs. 1 FGO ergehen werde. Eine Entscheidung in materiell-rechtlicher Hinsicht (hier: in Bezug auf die Frage, ob die die Verschmelzung einer Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft gem. § 22 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UmwStG zur rückwirkenden Besteuerung eines sog. Einbringungsgewinns II führt) hat der BFH nicht getroffen. Mit der Aufhebung des Zwischenurteils befindet sich das Klageverfahren wieder in dem Stadium, das vor dem Erlass des Zwischenurteils bestanden hat, sodass sich nun wieder das Hessische FG mit dem Fall befassen muss.

Fundstelle

Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 05. März 2020 (8 K 339/15); die Revision ist beim BFH unter dem Az. I R 18/20 anhängig.

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