Update: Grundstücksentnahme bei Bestellung von Erbbaurechten

Die Bestellung von Erbbaurechten an land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken und die anschließende Bebauung durch die Berechtigten führt zur Entnahme der Grundstücke, falls die endgültige Nutzungsänderung mehr als 10 % der Gesamtfläche des Betriebs betrifft.

Ist die Geringfügigkeitsgrenze von 10 % überschritten, kommt es für das Vorliegen einer Entnahme regelmäßig nicht auf einen Vergleich der Erträge aus der Vermögensverwaltung und der Land- und Forstwirtschaft oder auf die Anwendung anderer Abgrenzungskriterien an. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine zwangsweise Entnahme landwirtschaftlichen Betriebsvermögens vorliegt, wenn an land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken Erbbaurechte bestellt und diese anschließend mit Wohnhäusern bebaut werden.

Die Klage vor dem Finanzgericht Münster hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens verlieren diese Eigenschaft nur durch eine Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb (BFH, Urteil vom 31. Januar 1985, IV R 130/82, BStBl II 1985, 395, unter 2.a).

Durch eine bloße Nutzungsänderung ohne Entnahmeerklärung verlieren ursprünglich landwirtschaftlich genutzte Grundstücke nach ständiger Rechtsprechung des BFH ihre Eigenschaft als landwirtschaftliches Betriebsvermögen nur, wenn eine eindeutige Entnahmehandlung vorliegt (BFH, Urteil vom 14. Mai 2009, IV R 44/06, BStBl II 2009, 811, unter II.1.a cc).

Bei entgeltlich zur Nutzung überlassenen Grundstücken, die zum notwendigen Betriebsvermögen eines Verpachtungsbetriebs gehören (s. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992, IV R 115/91, BStBl II 1993, 342, unter 2.), ist das Vorliegen von Betriebsvermögen auch dann nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich ist.

Solche Grundstücke bleiben bis zu einer Entnahme (geduldetes – gewillkürtes -) Betriebsvermögen, sofern nicht die Nutzungsänderung einen Umfang annimmt, durch den sich der Charakter des landwirtschaftlichen Betriebs derart verändert, dass die Vermögensverwaltung die landwirtschaftliche Betätigung verdrängt (BFH, Urteil vom 22. August 2002, IV R 57/00, BStBl II 2003, 16, unter 1.c).

Als unschädlich hat der BFH hiernach insbesondere die Bestellung einer Vielzahl von Erbbaurechten und die anschließende Bebauung durch die Erbbauberechtigten mit privaten Wohnhäusern angesehen, wenn die endgültige Nutzungsänderung einen Umfang von nicht mehr als 10 % der landwirtschaftlichen Flächen betraf, auch wenn die Erträge aus der Vermögensverwaltung die land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte überwogen (BFH, Urteil vom 10. Dezember 1992, IV R 115/91, BStBl II 1993, 342, unter 3.).

Im Streitfall hatte die Nutzungsänderung einen Umfang erreicht, der zu einer Verselbständigung der Vermögensverwaltung führte und damit zu einer Entnahme der dazu dienenden Flächen zwang. Nach den bindenden Feststellungen des Finanzgerichts wurden in den Jahren 1970 bis 1974 Erbbaurechte an (ursprünglich) zu seinem Betriebsvermögen gehörenden Grundstücken im Umfang von 9 739 qm bestellt, was einem Anteil von 10,76 % der Gesamtfläche seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs entsprach.

Die Erbbaugrundstücke wurden von den Erbbauberechtigten anschließend mit privat genutzten Wohnhäusern bebaut. Damit war bei den Erbbaugrundstücken eine endgültige Nutzungsänderung in einem Umfang eingetreten, der die Geringfügigkeitsgrenze von 10 % überstieg und der Eigenschaft der Erbbaugrundstücke als (geduldetes) Betriebsvermögen entgegenstand.

Der Umstand, dass die Unschädlichkeitsgrenze von 10 % --wie die Kläger meinten-- im Streitfall nur geringfügig überschritten ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Aus Gründen der Rechtsklarheit und aus Vereinfachungsgründen ist vielmehr eine strikte Beachtung der Geringfügigkeitsgrenze geboten. Anderenfalls würden nur weitere Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage entstehen, unter welchen Voraussetzungen die Überschreitung der Grenze lediglich geringfügig sei.

Update (29. Juni 2022)

Das Urteil VI R 30/18 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2022, Seite 312.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 31. März 2021 (VI R 30/18), veröffentlicht am 12. August 2021.

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