EuGH: Multinationalen Unternehmen von Belgien durch verbindliche Auskünfte („Rulings“) gewährte Steuerbefreiungen als Beihilfe

Nach dem heutigen Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hat die Kommission in einem belgischen Fall zutreffend das Vorliegen einer Beihilferegelung festgestellt. Der EuGH hebt insoweit das frühere Urteil des Europäischen Gerichts auf und verweist die Sache zur Entscheidung über andere Gesichtspunkte der Rechtssache nach dort zurück.

Hintergrund

Seit 2005 kommt in Belgien ein System der Befreiung von Gewinnüberschüssen belgischer Unternehmen, die zu multinationalen Konzernen gehören, zur Anwendung. Diese Unternehmen konnten einen Vorbescheid („ruling“) der belgischen Steuerbehörden erlangen, wenn sie das Vorliegen einer neuen Situation geltend machen konnten, wie etwa eine Neuorganisation, die zu einer Neuansiedlung des Hauptunternehmens in Belgien führt, die Schaffung von Arbeitsplätzen oder Investitionen. In diesem Rahmen waren von der sogenannten Gesellschaftssteuer Gewinne befreit, die als „Mehrgewinne“ angesehen wurden, da sie die Gewinne überstiegen, die von vergleichbaren eigenständigen Unternehmen unter ähnlichen Umständen erzielt worden wären.

In 2016 stellte die Kommission fest, dass dieses System der Befreiung von Gewinnüberschüssen eine rechtswidrige Beihilferegelung darstelle, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei und ordnete die Rückforderung der auf diese Weise gewährten Beihilfen bei zahlreichen Empfängern an. Belgien und einer der betroffenen Unternehmen erhoben Klage beim Gericht der Europäischen Union (EuG) auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission. Im Februar 2019 erklärte das EuG den Beschluss der Kommission für nichtig. Im April 2019 legte die Kommission daraufhin Rechtsmittel beim EuGH ein.

Entscheidung des EuGH

In seinem heutigen Urteil weist der EuGH darauf hin, dass die Einstufung einer staatlichen Maßnahme als Beihilferegelung voraussetzt, dass drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens können Unternehmen auf der Grundlage einer Regelung Einzelbeihilfen gewährt werden. Zweitens ist für die Gewährung dieser Beihilfen keine nähere Durchführungsmaßnahme erforderlich. Drittens müssen die Unternehmen, denen Einzelbeihilfen gewährt werden können, „in einer allgemeinen und abstrakten Weise“ definiert werden.

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass das Gericht insoweit mehrere Rechtsfehler begangen hat. Erstens habe das Gericht den Begriff „Regelung“ fehlerhaft angewandt. Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung für die Bestimmung einer „Beihilferegelung“, nämlich dem Fehlen von „näheren Durchführungsmaßnahmen“, weist der EuGH darauf hin, dass diese Frage untrennbar mit der Frage der Bestimmung der „Regelung“ verbunden ist, auf die sich die Beihilferegelung gründet. Im Rahmen dieser Prüfung habe das Gericht nicht berücksichtigt, dass eines der wesentlichen Merkmale der in Rede stehenden Regelung darin bestand, dass die belgischen Steuerbehörden die Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse systematisch bewilligt hatten, wenn die Voraussetzungen erfüllt waren. Zur dritten Voraussetzung führen die Richter des EuGH aus, dass die Rechtsfehler des Gerichts, die die ersten beiden Voraussetzungen betreffen, auch die Beurteilung in Bezug auf die Definition der Begünstigten der Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse beeinträchtigt.

Fundstelle

EuGH-Urteil vom 16. September 2021 in der Rechtssache C-337/19 P, Kommission / Belgien und Magnetrol International

Weitere ausführliche Erläuterungen zu dieser Entscheidung finden Sie in der EuGH-Pressemitteilung Nr. 158/21.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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