Update: EuGH-Vorlage zur erbschaftsteuerrechtlichen Wertermittlung bei im Drittland belegener Immobilie

Mit aktuellem Beschluss hat das Finanzgericht Köln den EuGH um Vorabentscheidung hinsichtlich der erbschaftsteuerrechtlichen Wertermittlung für ein zum Privatvermögen gehörendes bebautes Grundstück, welches in Kanada belegen ist, gebeten. Der Grund sind Unterschiede zur Behandlung eines gleichartigen, im Inland, in einem EU-Mitgliedstaat oder im EWR belegenen Grundstücks. Konkret muss der EuGH der Frage nachgehen, ob ein Mitgliedstaat sozialpolitische Ziele innerhalb der EU, wie die Förderung bezahlbaren Mietwohnraums, durch Maßnahmen verfolgen kann, die den freien Kapitalverkehr mit Drittstaaten beschränken.

Ausgangslage

Der Kläger im Ausgangsverfahren erhielt als Vermächtnisnehmer unter anderem Anteile an kanadischen Vermietungsimmobilien, die zu seinem Privatvermögen gehörten. Sämtliche vermachten Vermögensgegenstände sind jeweils mit lebenslangen Nießbrauchsrechten zugunsten der Ehefrau des verstorbenen Erblassers belastet. Bei der Berechnung der Erbschaftsteuer setzte das Finanzamt den Wert der Immobilien mit dem gemeinen Wert an. Der Kläger beantragte, das Grundvermögen in Kanada gemäß § 13c Abs. 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG 2009) lediglich mit 90 Prozent seines gemeinen Wertes der Besteuerung zu unterwerfen. Gemäß § 13c Abs. 1 ErbStG 2009 seien Grundstücke lediglich mit 90 Prozent ihres Wertes anzusetzen, u. a. wenn sie zu Wohnzwecken vermietet werden würden (§ 13c Abs. 3 Nr. 1 ErbStG 2009) oder im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegen seien (§ 13c Abs. 3 Nr. 2 ErbStG 2009) und nicht zum begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft gehören. Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die gesetzliche Einschränkung in § 13c Abs. 3 Nr. 2 ErbStG 2009 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 63 AEUV in Bezug auf einen Drittstaat verstoße. Dabei berief er sich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 17. Januar 2008 (Rechtssache C-256/06, Jäger). Das Finanzamt folgte der Argumentation nicht und lehnte die niedrigere Besteuerung ab.

Vorlagebeschluss

Das Finanzgericht hat Zweifel, ob es mit Art. 63 ff. AEUV vereinbar ist, dass der Erwerb eines bebauten und vermieteten Grundstücks des Privatvermögens, welches in einem Drittstaat (hier: Kanada) belegen ist, von der Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13c Abs. 3 i.V.m. § 13c Abs. 1 ErbStG 2009 ausgeschlossen ist. Es folgt mit seinem Vorlagebeschluss insoweit der Argumentation des Klägers. Es seien keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe für eine erbschaftsteuerliche Schlechterstellung von in einem Drittland befindlichen Vermietungsgrundstücken erkennbar.

Für den erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb des Klägers ist, soweit der Erwerb die in Kanada belegenen Grundstücke betrifft, nach nationalem Recht (hier: § 13c Abs. 1 ErbStG 2009) keine Steuerbefreiung zu gewähren. Die Ausgangslage nach EU-Recht ist nach Dafürhalten der Kölner Steuerrichter jedoch differenzierter: Der EuGH habe in der Vergangenheit bereits entschieden, dass Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht, unter die Rubrik XI des Anhangs I („Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“) der Richtlinie 88/361 EWG fallen und dass es sich beim Erwerb von Todes wegen, auch wenn er unbewegliche Güter betrifft, um Kapitalverkehr im Sinne von Art. 63 AEUV handelt (EuGH-Urteil vom 15.10.2009 C-35/08, Fernandez, Rn. 18 ; EuGH-Urteil vom 17.10.2013 C-181/12, Welte, Rn. 20).

Im Hinblick auf diese Grundsätze sprechen nach Ansicht des Finanzgerichts gute Gründe dafür, dass auch der Übergang von Vermögen aufgrund eines Vermächtnisses gemäß §§ 2147, 2174, 2176 BGB in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 Abs. 1 AEUV fällt, auch wenn es sich um unbewegliches Vermögen, hier: Anteile an bebauten Grundstücken in Kanada, handelt.

Eine nationale Steuerregelung, die danach unterscheidet, ob der Vermögensgegenstand im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums oder aber im Drittland belegen ist, kann nur dann mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar sein, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die objektiv nicht miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

Die Finanzrichter sehen in dem vorliegenden Drittland-Sachverhalt zu einem Sachverhalt, in dem das Grundstück im Inland bzw. in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union belegen ist, objektiv keine Unvergleichbarkeit. Vielmehr unterscheiden sich die Sachverhalte lediglich bei der Belegenheit des Grundstücks. Die Auslandsbelegenheit allein scheine keine abweichende steuerliche Schlechterstellung zu rechtfertigen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil in Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht in einem Besteuerungsfall Grundstücke in Drittstaaten außerhalb des EWR beim steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG 2009 ebenso erfasst werden. Auch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung objektiv rechtfertigen würden, sind für das Finanzgericht nicht erkennbar.

Fundstelle

Finanzgericht Köln, Beschluss vom 2. September 2021 (7 K 1333/19); Pressemitteilung vom 25. November 2021. - Das Verfahren wird beim EuGH unter der Rechtssache C-670/21, BA geführt.

Update (22.2.2023)

Am 9.2.2023 hat Generalanwalt Anthony M. Collins seine Schlussanträge veröffentlicht. Im Ergebnis schlägt der Generalanwalt dem EuGH vor, die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

„Art. 63 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die zur Förderung der Verfügbarkeit bezahlbaren Mietwohnraums in der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum den Wert eines zu Wohnzwecken vermieteten, in einem Mitgliedstaat oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen Grundstücks bei der Berechnung der Erbschaftsteuer günstiger behandelt als ein genauso genutztes, in einem Drittstaat belegenes Grundstück, sofern diese nationale Regelung zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet ist und es keine genauso wirksamen, weniger einschneidenden Maßnahmen gibt, um dieses Ziel zu erreichen;

er einer nationalen Regelung, die zur Sicherstellung der Wirksamkeit der Finanzaufsicht den Wert eines zu Wohnzwecken vermieteten, in einem Mitgliedstaat oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen Grundstücks bei der Berechnung der Erbschaftsteuer günstiger behandelt als ein genauso genutztes, in einem Drittstaat belegenes Grundstück, entgegensteht, wenn es einen rechtlichen Rahmen für den Austausch relevanter Informationen zwischen den zuständigen Finanzbehörden gibt."

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