EuGH zur Voraussetzung der Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen privater Krankenhausbetreiber

Hinsichtlich des bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Umsatzsteuerrechts hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Frage nachzugehen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Umsätze aus dem Betrieb eines privat betriebenen Krankenhauses mehrwertsteuerbefreit sind. Der bis 31. Dezember 2019 geltenden deutschen Regelung im Umsatzsteuergesetz steht Artikel 132 Abs. 1 Buchst. b der MwStSystRL entgegen. Gleichwohl präzisieren die Europarichter, unter welchen Voraussetzungen Behandlungen privater Krankenhausbetreiber mit Einrichtungen des öffentlichen Rechts „in sozialer Hinsicht vergleichbar“ sind.

Hintergrund und Ausgangslage

Das Niedersächsische Finanzgericht hatte ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet und dabei festgestellt, dass die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften (§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG im Kontext mit § 108 SGB V) in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Wortlaut von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie (MwStSystRL) stünden. Die Rechtsfrage betrifft die bis 31. Dezember 2019 geltende Rechtslage. Auch verschiedene Senate des BFH (im Urteil vom 23.10.2014 – V R 20/14 und im Urteil vom 8.03.2015 – XI R 38/13) gehen betreffend die Zeiträume vor dem 1. Januar 2020 davon aus, dass § 4 Nr. 14 Buchst. b aa) UStG nicht den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL entspricht, weil er die Steuerfreiheit der Leistungserbringung in Krankenhäusern, die von Unternehmern betrieben werden, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, unter einen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt stellt. Das Niedersächsische Finanzgericht teilt hierzu diese höchstrichterliche Auffassung.

Der Generalanwalt hatte dem EuGH in seinen Schlussanträgen vom 23. September 2021 u. a. vorgeschlagen zu entscheiden, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht.

Weitere Ausführungen zum Sachverhalt, dem Vorlagebeschluss und den Schlussanträgen finden Sie in unserem Blogbeitrag vom 27. September 2021.

Entscheidung des EuGH

In Beantwortung der ersten Vorlagefrage sieht der EuGH die Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Generalanwalts dahingehend, dass er der in Rede stehenden deutschen Regelung entgegensteht.

Aus dem Vorlagebeschluss des Finanzgerichts gehe hervor, dass die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen hinsichtlich des Abschlusses eines Vertrags mit einem Krankenhaus über ein gewisses Ermessen verfügen und dass die Länder nicht verpflichtet sind, nicht universitäre Krankenhäuser des privaten Rechts, die Umsätze unter Bedingungen bewirken, die mit den Bedingungen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, in ihren Krankenhausplan aufzunehmen.

Bei der Durchführung dieser Befreiung erfordere jedoch die Wahrung der Steuerneutralität, dass alle Einrichtungen, die nicht dem öffentlichen Recht unterliegen, bei der Anerkennung für die Erbringung ähnlicher Leistungen gleichgestellt werden. Die Ausübung eines Ermessensspielraums in Bezug auf den Abschluss einer Vereinbarung mit einem Krankenhausträger und das Fehlen einer Verpflichtung für die öffentliche Hand, privatrechtliche Einrichtungen, die unter vergleichbaren sozialen Bedingungen wie öffentlich-rechtliche Einrichtungen tätig sind, in ihren Krankenhausplan aufzunehmen, könne jedoch unter Missachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität dazu führen, dass vergleichbare private Krankenhausträger in Bezug auf die Steuerbefreiung unterschiedlich behandelt werden.

Zur zweiten Vorlagefrage, unter welchen Voraussetzungen demzufolge Krankenhausbehandlungen durch private Krankenhäuser mit solchen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts „in sozialer Hinsicht vergleichbar“ sind, stellt der EuGH fest, dass bei einer solchen Prüfung durch die deutschen Behörden die für Leistungen von öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern geltenden regulatorischen Bedingungen sowie – sofern sie auch auf öffentlich-rechtliche Krankenhäuser anwendbar sind – Indikatoren der Leistungsfähigkeit dieses privaten Krankenhauses in Sachen Personal, Räumlichkeiten und Ausstattung sowie der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung berücksichtigt werden können, wenn damit das Ziel verfolgt wird, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken und den Einzelnen eine qualitativ hochwertige Behandlung zugänglicher zu machen.

Ebenfalls berücksichtigt werden können die Modalitäten der Berechnung der Tagessätze sowie die Kostenübernahme für die von dem betreffenden Krankenhaus des privaten Rechts erbrachten Leistungen im Rahmen des Systems der sozialen Sicherheit oder im Rahmen von mit Behörden geschlossenen Vereinbarungen dergestalt, dass die zulasten des Patienten gehenden Kosten den Kosten nahekommen, die der Patient eines öffentlich-rechtlichen Krankenhauses für gleichartige Leistungen trägt.

Fundstelle

EuGH-Urteil vom 7. April 2022 (C‑228/20), I (Exonération de TVA des prestations hospitalières)

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