Zum Begriff der Erstausbildung im Sinne des § 9 Abs. 6 EStG bei einem 20-monatigem Praktikum und einer späteren Ausbildung zum Berufspiloten

Das Niedersächsische Finanzgericht hat entschieden, dass Aufwendungen für die Verkehrspilotenausbildung zu den beschränkt abzugsfähigen Berufsausbildungskosten des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zählen. Auch wenn der Kläger bereits seit mehreren Jahren in der Veranstaltungs- und Showtechnik gewerblich tätig war, handele es sich um eine Erstausbildung, sodass die dafür entstandenen Aufwendungen dem Werbungskostenabzugsverbot nach § 9 Abs. 6 EStG unterliegen.

Sachverhalt

Im zu entscheidenden Sachverhalt war der Kläger bereits seit mehreren Jahren gewerblich in der Veranstaltungsbranche u.a. als DJ und Verleiher professioneller Licht- und Tontechnik tätig. Dieser Tätigkeit lag ein 20-monatiges Praktikum zugrunde, welches der Kläger bei einem Unternehmen der Veranstaltungstechnik absolviert hatte. Zum damaligen Zeitpunkt war die Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann gerade erst staatlich anerkannt worden. Die entsprechende Ausbildung durchlief der Kläger nicht. Vielmehr war er nach seinem Praktikum gewerblich in diesem Bereich tätig.

Die dabei erzielten Einnahmen dienten dem Kläger zur Finanzierung seiner Ausbildung zum Berufspiloten. Dazu erwarb er zunächst in 2005 die Privatpilotenlizenz für einmotorige Flugzeuge nach Sichtflugregeln; in 2011 dann die Nachtflugberechtigung, in 2017 die Instrumentenflugberechtigung für ein- und mehrmotorige Flugzeuge (Berufspilotenlizenz) und 2018 schließlich die Musterberechtigung für den Airbus A 320. Die dafür in den Streitjahren 2016 und 2017 entstandenen Aufwendungen machte der Kläger – wie bereits in den Vorjahren – bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als vorweggenommene Werbungskosten geltend.

Das beklagte Finanzamt lehnte dies ab und gewährte nur den für Berufsausbildungskosten auf 6.000 € jährlich begrenzten Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG). Nach Auffassung des Finanzamts handele es sich bei der Berufspilotenausbildung um eine Erstausbildung. Für diese sei der Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 6 EStG ausgeschlossen.

Richterliche Entscheidung

Das Niedersächsische Finanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamts.

Entscheidend sei, dass das der Berufspilotenausbildung vorangegangene 20-monatige Praktikum des Klägers nicht die Voraussetzungen einer Erstausbildung erfülle, sodass die Berufspilotenausbildung des Klägers seine Erstausbildung darstelle.

Die Voraussetzungen für eine Erstausbildung habe der Gesetzgeber in der ab dem Veranlagungszeitraum 2015 geltenden Fassung nunmehr explizit geregelt. So fehle es dem Praktikum insbesondere an einem geordneten Ausbildungsgang. Die Durchführung dieses Berufspraktikums sei gerade nicht auf der Grundlage von Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers erfolgt.

Ausdrückliches Ziel des Praktikums sei es nicht gewesen, die für eine qualifizierte berufliche Tätigkeit notwendigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Vielmehr seien die Ausbildungsziele nicht klar definiert, ein feststehender Lehrplan habe nicht existiert.

Zudem entspreche das lediglich 20 Monate dauernde Praktikum in keiner Weise einer dreijährigen Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann. Auch wenn der Kläger seinerzeit noch keine Möglichkeit des Durchlaufens der geregelten Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann gehabt habe, da diese Ausbildung seinerzeit erst staatlich anerkannt worden sei, erfülle das Praktikum nicht die Voraussetzungen einer Erstausbildung.

Dies wäre allenfalls möglich gewesen, wenn der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt die Abschlussprüfung zum Veranstaltungskaufmann bestanden hätte. In diesem Fall wäre auch, ohne dass er zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen hätte, eine abgeschlossene Erstausbildung anzunehmen gewesen, vgl. § 9 Abs. 6 S. 5 EStG. Eine solche Abschlussprüfung habe der Kläger jedoch nicht abgelegt.

Das Finanzgericht lehnte auch die Einordnung der Aufwendungen für die Berufspilotenausbildung als Umschulungskosten, welche nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abzugsfähig wären, ab. Es widerspreche dem gesetzgeberischen Ziel der Begrenzung des Werbungskostenabzugs, über eine abweichende Wertung als „Umschulung“ zu dem Ergebnis zu kommen, für diese Fälle eine erstmalige Berufsausbildung und damit den Ausschluss vom Werbungskostenabzug über die allgemeine Regelung des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG auszuhebeln.

Ferner gebe es keinen sachgerechten Grund, warum die Erstausbildung nach einer längeren Tätigkeit als Taxifahrer oder Skilehrer vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen wird – so die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/3017, S. 43), andererseits die mehrjährige Tätigkeit als DJ/Musiker einen solchen Ausschluss vom Werbungskostenabzug verhindern könnte.

Das Niedersächsische Finanzgericht wendet damit die gesetzlich geregelten Voraussetzungen einer Erstausbildung im Sinne des § 9 Abs. 6 EStG an und berücksichtigte dabei auch hinsichtlich der Frage der Einordnung als Umschulungskosten die gesetzgeberische Intention.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Bundesfinanzhof die Revision zugelassen (IV R 22/21).

Fundstelle

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26. März 2021 (2 K 130/20), siehe den Newsletter 4/2022 des Finanzgerichts; die Revision ist beim BFH unter dem Az. VI R 22/21 anhängig.

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