Einkommensteuerliche Behandlung barer Zuzahlungen an den inländischen Privatanleger im Zusammenhang mit einer Verschmelzung US-amerikanischer Kapitalgesellschaften

Bei der Besteuerung eines im Inland steuerpflichtigen Aktieninhabers einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft findet § 20 Abs. 4a EStG bei einem aufgrund einer Verschmelzung erfolgten Tausch der Aktien mit Spitzen- und Barausgleich keine Anwendung, wenn bei rechtsvergleichender Betrachtung die Verschmelzung aufgrund der hohen Barzahlungen nicht einmal hypothetisch in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 Nr. 5 UmwStG fallen könnte. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Erbengemeinschaft, die durch Herrn Z vertreten wird. Sie ist Rechtsnachfolgerin des verstorbenen ehemaligen Klägers (G). Dieser war im Inland unbeschränkt steuerpflichtig und wurde für das Jahr 2015 (Streitjahr) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.

Er hielt im Streitjahr 2.000 Aktien der Firma LI, einer Kapitalgesellschaft nach US-amerikanischem Recht. Die Aktien hatte er jeweils hälftig am 26. Juli 2013 zu einem Kaufpreis in Höhe von umgerechnet 33.698,11 € und am 23. Mai 2014 zu einem Kaufpreis in Höhe von umgerechnet 44.336,02 € angeschafft.

Im Streitjahr wurde die LI auf die Firma RAI, ebenfalls eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft, verschmolzen. Aus diesem Grund erhielten die Aktionäre der im Zuge der Verschmelzung aufgelösten LI für eine bisher gehaltene LI-Aktie 0,2909 neue RAI-Aktien und eine Zahlung in Höhe von 50,50 US-$ je LI-Aktie. Aus dem Depot des G wurden am 12.06.2015 sämtliche LI-Aktien ausgebucht und im Gegenzug 581 Aktien der RAI zuzüglich eines Spitzenausgleichs in Höhe von 49,29 € eingebucht.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die RAI-Aktien einen Kurswert in Höhe von insgesamt umgerechnet 35.796,54 €. Zusätzlich erfolgte auf das Depot des G eine Zahlung in Höhe von umgerechnet 89.801,73 €. Insgesamt erhielt der G somit aufgrund der Verschmelzung RAI-Aktien und Geldzahlungen im Wert von 125.647,56 €.

Nach der Jahressteuerbescheinigung der Depotbank für das Streitjahr wurde die Zuzahlung in Geld als steuerpflichtiger Kapitalertrag ausgewiesen und hierfür Kapitalertragsteuer in Höhe von 22.450,43 € zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 1.234,77 € einbehalten.

G beantragte in seiner Einkommensteuererklärung die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) sowie die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Die Höhe der Kapitalerträge gab er in Bezug auf die Verschmelzung der LI-Aktien im Vergleich zur Jahressteuerbescheinigung der Depotbank niedriger an, da er der Auffassung war, dass bei der Besteuerung der Barzuzahlung anteilig die Anschaffungskosten der LI-Aktien steuermindernd zu berücksichtigen seien.

Das Finanzamt folgte dem nicht, sondern rechnete die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer lediglich auf die festgesetzte Einkommensteuer an, der die Barzuzahlung in voller Höhe zugrunde gelegt worden war.

Die Klage vor dem Finanzgericht Münster blieb ohne Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision teilweise stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.

Bei der Besteuerung eines im Inland steuerpflichtigen Aktieninhabers einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft findet § 20 Abs. 4a EStG bei einem aufgrund einer Verschmelzung erfolgten Tausch der Aktien mit Spitzen- und Barausgleich keine Anwendung, wenn bei rechtsvergleichender Betrachtung die Verschmelzung aufgrund der hohen Barzahlungen nicht einmal hypothetisch in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 Nr. 5 UmwStG fallen könnte.

Der gesamte Vorgang ist danach als Tausch gegen die Gewährung eines Mischentgelts nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG zu besteuern.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 14. Februar 2022 (VIII R 44/18), veröffentlicht am 19. August 2022.

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