Zur Höhe der Gebühr bei Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft

Im Fall der Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft führt AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null in der Weise, dass die Gebührenermäßigung (§ 89 Abs. 7 Satz 2 AO) nach den Maßgaben der Bemessung einer Zeitgebühr auszurichten ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Hintergrund

Nach § 89 Abs. 3 Satz 1 Abgabenordnung (AO) wird für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft eine Gebühr erhoben. Die Gebühr wird gemäß § 89 Abs. 4 Satz 1 AO primär nach dem Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert); hierfür verweist § 89 Abs. 5 AO auf eine entsprechende Anwendung von § 34 GKG. Sofern ein Gegenstandswert nicht bestimmbar ist und auch nicht durch Schätzung bestimmt werden kann, ist gemäß § 89 Abs. 6 Satz 1 AO eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 € je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit.

§ 89 Abs. 7 Satz 1 AO bestimmt, dass auf die Gebühr ganz oder teilweise verzichtet werden "kann", wenn ihre Erhebung nach der Lage des Einzelfalls unbillig wäre. Nach § 89 Abs. 7 Satz 2 AO "kann" die Gebühr insbesondere ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Gebühren für den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft.

Die Klägerin ist eine KG mit Sitz im Inland. Da mehrere ihrer Gesellschafter planten, einen Zweitwohnsitz im Ausland zu begründen, beantragte sie am 09.12.2013 beim Finanzamt die Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Gegenstand dieses Auskunftsersuchens war die steuerliche Entstrickung ihrer Wirtschaftsgüter, insbesondere ihrer Beteiligungen. Die Klägerin gab an, dass aufgrund der Höhe des Gegenstandswerts von der Höchstgebühr gemäß § 89 Abs. 5 AO i.V.m. § 34 GKG auszugehen sei.

Infolge des Antrags kam es zu umfangreichen rechtlichen Prüfungen. Nachdem das Finanzamt mündlich mitgeteilt hatte, dass auf Grundlage des dargestellten Sachverhalts die beantragte verbindliche Auskunft nicht erteilt werden könne, wurden auch alternative Sachverhaltsgestaltungen diskutiert. Aus Sicht der Finanzverwaltung blieb es dabei, dass der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft abzulehnen sei.

Kurz darauf nahm die Klägerin ihren Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft zurück. Als Grund gab sie an, die Gesellschafter hätten von den Überlegungen zur Verlagerung ihres Wohnsitzes in das Ausland Abstand genommen.

Das Finanzamt setzte für die Bearbeitung des Auskunftsersuchens gemäß § 89 Abs. 3 bis 7 AO eine Gebühr in Höhe von 98.762 € fest. Bei der Berechnung ging das Finanzamt von einem Gegenstandswert in Höhe von 30 Mio. € (Höchstbetrag) aus, der grundsätzlich eine Gebühr in Höhe von 109.736 € zur Folge gehabt hätte. Wegen der Rücknahme des Antrags sei es aber sachgerecht, diese Gebühr gemäß § 89 Abs. 7 Satz 2 AO und Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 89 Nr. 4.5.2 um 10 % auf 98.762 € zu ermäßigen. Ein Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Die Klage vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz, mit der die Klägerin die Herabsetzung der Gebühr auf 15.600 € begehrte, hatte hingegen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Gebühr gemäß § 89 Abs. 3 AO vorliegen. Entsprechendes gilt für die Voraussetzungen der Gebührenermäßigung gemäß § 89 Abs. 7 Satz 2 AO aufgrund der Rücknahme des Antrags durch die Klägerin vor Bekanntgabe der Entscheidung des Finanzamts über die Erteilung der verbindlichen Auskunft.

Die Annahme des Finanzgerichts, aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null sei die Gebühr auf eine Zeitgebühr in Höhe von 15.600 € zu ermäßigen, war dagegen rechtsfehlerhaft.

Eine entsprechende Ermessensreduzierung auf Null folgt insbesondere nicht aus AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2. Zwar handelt es sich hierbei um eine ermessenslenkende und für das Finanzamt bindende Verwaltungsvorschrift. Diese Vorschrift schreibt aber lediglich vor, den bis zur Rücknahme des Antrags angefallenen Bearbeitungsaufwand "angemessen" zu berücksichtigen und die Gebühr "anteilig" zu ermäßigen. Weitere Vorgaben zur konkreten Berechnung der Ermäßigung enthält sie nicht.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts kann AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 somit keine generelle Begrenzung auf die Zeitgebühr entnommen werden. Vielmehr sind deren Vorgaben auch bei einer ‑vom Finanzamt zugrunde gelegten‑ proportionalen Reduzierung der Wertgebühr im Verhältnis des bisherigen zu dem noch ausstehenden Bearbeitungsaufwand erfüllt. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass das Finanzgericht die Ermessensrichtlinie nicht selbst auslegen durfte, sondern darauf beschränkt war zu prüfen, ob die vom Finanzamt vorgenommene Auslegung möglich ist.

Im Übrigen bezieht sich die Ermäßigung nach § 89 Abs. 7 Satz 2 AO auf "die Gebühr" (ebenso AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2). Damit kann als Ausgangspunkt nur diejenige Gebühr gemeint sein, die sich zuvor aus § 89 Abs. 4 bis 6 AO ergeben hat. Ein grundsätzlicher Wechsel von der Wert- zur Zeitgebühr (oder umgekehrt) ist dagegen nicht vorgesehen.

Die vom Gesetzgeber verfolgten Gebührenzwecke führen ebenfalls nicht zu der vom Finanzgericht angenommenen Ermessensreduzierung auf Null.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 04. Mai 2022 (I R 46/18), veröffentlicht am 25. August 2022.

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