Zufluss von Kapitalerträgen beim beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft

Dem beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft fließt ein Gewinnanteil gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses zu, wenn die Gesellschaft zahlungsfähig ist und er nach Maßgabe des ausländischen Rechts zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich über den Gewinnanteil verfügen kann. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Streitig ist, ob dem Kläger in den Jahren 2007 bis 2010 (Streitjahre) als beherrschendem Gesellschafter einer kroatischen Kapitalgesellschaft beschlossene Gewinnausschüttungen, die ihm nicht ausbezahlt wurden, gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugeflossen sind.

Der im Inland wohnhafte und unbeschränkt steuerpflichtige Kläger wurde in den Streitjahren zusammen mit seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einkommensteuerlich veranlagt. Er war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer im Jahr 2000 gegründeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung kroatischen Rechts mit Sitz in Y. Die kroatische Gesellschaft erwirtschaftete in den Geschäftsjahren 2006 bis 2009 jeweils Gewinne.

Nach Durchführung einer Außenprüfung erhöhte das Finanzamt durch auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung gestützte Änderungsbescheide die ursprünglichen Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre. Das Finanzamt begründete dies mit weiteren von der kroatischen Gesellschaft beschlossenen Ausschüttungen, die es als dem Kläger als beherrschendem Gesellschafter im jeweiligen Streitjahr zugeflossen ansah.

Die Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Ob dem Kläger Gewinnanteile aus der kroatischen Gesellschaft zugeflossen sind, richtet sich ‑wie vom Finanzgericht zutreffend erkannt‑ nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG.

Einnahmen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, d.h. in dem er wirtschaftlich über die Einnahmen verfügen kann. Bei beherrschenden Gesellschaftern ‑der Kläger gehört als Alleingesellschafter unstreitig zu diesem Personenkreis‑ ist der Zufluss einer Ausschüttung in der Regel bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung anzunehmen, weil der beherrschende Gesellschafter es regelmäßig in der Hand hat, sich die ihm von der Gesellschaft geschuldeten Beträge auszahlen zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sein Gewinnauszahlungsanspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet. Unter diesen Voraussetzungen kann der beherrschende Gesellschafter im Regelfall wirtschaftlich bereits ab dem Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses über seinen Gewinnanteil verfügen.

Diese Rechtsgrundsätze sind auch auf den Zufluss von Gewinnanteilen bei einem im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft anzuwenden.

Unverzichtbare Bedingung für den Zufluss offener Gewinnausschüttungen beim beherrschenden Gesellschafter nach den vorstehenden Grundsätzen ist im Inlandsfall wie im Auslandsfall, dass der Gesellschafter über diejenigen Gewinnanteile, deren Ausschüttung durch die Gesellschafterversammlung beschlossen wurde, wirtschaftlich verfügen kann.

Entsteht mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses nach ausländischem Recht ein wie im Streitfall sofort fälliger Gewinnauszahlungsanspruch, kann hieraus nicht in jedem Fall zwingend abgeleitet werden, dass der beherrschende Gesellschafter bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft unmittelbar die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt. Denn die Dispositionsmöglichkeit des Gesellschafters über die Auszahlung des Ausschüttungsbetrags kann nach den Gegebenheiten des jeweiligen ausländischen Rechts dennoch ausgeschlossen sein. Soweit und solange Gegebenheiten des ausländischen Rechts der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des beherrschenden Gesellschafters über den Ausschüttungsbetrag entgegenstehen, ist noch kein Zufluss gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG bei ihm gegeben.

Das maßgebliche ausländische Recht hat das Finanzgericht nicht nur hinsichtlich der Frage, ob eine Gewinnausschüttung beschlossen wurde, der Fälligkeit des Gewinnauszahlungsanspruchs und der Zahlungsfähigkeit der ausschüttenden Gesellschaft, sondern auch im Hinblick darauf festzustellen, ob es landesspezifische gesetzliche oder tatsächliche Besonderheiten gibt, die verhindern, dass der beherrschende Gesellschafter die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Ausschüttungsbetrag erlangt.

Nach diesen Grundsätzen hat das Finanzgericht im Streitfall zu Unrecht allein aus der Fälligkeit der beschlossenen Ausschüttungsbeträge unmittelbar auf die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Klägers über die Ausschüttungsbeträge geschlossen, ohne zu prüfen, ob seiner Verfügungsmacht nach Maßgabe des kroatischen Rechts Hindernisse entgegenstanden.

Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das Finanzgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen zum kroatischen Recht nachholen kann.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 14. Februar 2022 (VIII R 32/19), veröffentlicht am 01. September 2022.

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