EuGH: Finanzierungsdienstleistung im Rahmen eines Unterbeteiligungsvertrags mehrwertsteuerfrei

Die Gewährung einer Finanzierung an den Originator (Initiator) im Rahmen eines Unterbeteiligungsvertrags fällt unter den Begriff der Kreditgewährung im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie. Die Leistung des Unterbeteiligten ist insoweit steuerfrei. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Beantwortung eines polnischen Vorabentscheidungsersuchens entschieden.

Hintergrund

Konkret war der EuGH gefragt, ob die von einem Investmentfonds im Rahmen eines Unterbeteiligungsvertrags erbrachten Dienstleistungen „die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber“ im Sinne des Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG (MwStRL) darstellen.

Der betreffende Investmentfonds hatte den Abschluss von Unterbeteiligungsverträgen mit Banken oder Investmentfonds nach folgendem Konzept geplant: Im Rahmen des in Rede stehenden Vertrags verpflichten sich der Unterbeteiligte und der Originator gegenseitig: Der Unterbeteiligte, dem Originator eine Finanzierung zu gewähren, und der Originator, dem Unterbeteiligten die Einnahmen aus den Forderungen zu überweisen, die in diesem Vertrag bezeichnet sind, wobei er die Schuldtitel in seinem Vermögen behält. Der Originator erhält eine Dienstleistung gegen ein Entgelt, das der Differenz zwischen dem Prognosewert der Einnahmen aus den Forderungen und der Höhe der vom Unterbeteiligten ausgezahlten Finanzierung entspricht. Nach Dafürhalten des polnischen Finanzministeriums unterliegen die Umsätze des Unterbeteiligten dem allgemeinen Mehrwertsteuersatz von 23 %. Dies brachte den Rechtsstreit vor dem EuGH in Gang.

Entscheidung des EuGH

Nach Auffassung des EuGH fallen die von einem Unterbeteiligten erbrachten Dienstleistungen in den Anwendungsbereich der MwStRL, da sie gegen Entgelt erbracht werden. Die Form der dem Unterbeteiligten gezahlten Vergütung ist für die Frage, ob seine Leistung entgeltlich ist oder nicht, unerheblich.

Unter Berufung auf seine frühere Rechtsprechung, wonach die „Gewährung von Krediten“ u. a. in der Überlassung von Kapital gegen Entgelt besteht, wobei das Kapital nicht zwangsläufig von Bank- oder Finanzinstituten überlassen und das Entgelt nicht unbedingt in Form von Zinsen gezahlt werden muss, bestätigt der Gerichtshof, dass die Dienstleistung, die der Unterbeteiligte dem Originator im Rahmen des zwischen ihnen geschlossenen Vertrags erbringt, sich in einer einzigen Leistung erschöpft, die im Wesentlichen in der Auszahlung von Kapital gegen Entgelt besteht.

Ferner weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Unterbeteiligte das jedem Kreditgeschäft inhärente Kreditrisiko trägt. Dabei ist es unerheblich, ob sich dieses Risiko aus dem Zahlungsausfall der Schuldner der Forderungen, aus denen die Einnahmen auf ihn übertragen werden, oder aus der Zahlungsunfähigkeit seines unmittelbaren Vertragspartners ergibt.

Weder das Fehlen von Garantien zugunsten des Unterbeteiligten, noch die Tatsache, dass der Unterbeteiligte im Fall eines Ausfalls der Schuldner der Forderungen, aus denen die Einnahmen auf den Unterbeteiligten übertragen werden, den Originator nicht unmittelbar in Regress nehmen kann, noch der Umstand, dass die Schuldtitel im Vermögen des Originators verbleiben, haben nach Meinung des EuGH Auswirkungen auf den Wesensgehalt eines Unterbeteiligungsumsatzes und folglich auf die Einstufung des in Rede stehenden Vertrags als Kreditgewährung.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2022 (C-250/21), O. Fundusz Inwestycyjny Zamknięty reprezentowany przez O; EuGH-Pressemitteilung vom 6.10.2022.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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