EuGH zu den Melde- und Unterrichtungspflichten von Rechtsanwälten als Intermediäre

In seinem heutigen Urteil hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Verpflichtung des Rechtsanwalts, die anderen beteiligten Intermediäre zu informieren, nicht erforderlich ist und dadurch das Recht auf Achtung der Kommunikation mit seinem Mandanten nicht verletzt wird.

Hintergrund

Das Vorabentscheidungsersuchen des belgischen Verfassungsgerichtshofs betrifft den Umfang des Schutzes des Berufsgeheimnisses der als „Intermediäre“ an der Konzeption von Steuergestaltungen beteiligten Rechtsanwälte und der ihnen im Rahmen der Anwendung der Richtlinie 2011/16 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung obliegenden Melde- und Unterrichtungspflichten wie er durch die Richtlinie 2018/822(3). Konkret geht es um die Beurteilung der Gültigkeit von Art. 8ab Abs. 5 der Richtlinie 2011/16, wie er durch die Richtlinie 2018/822(3) eingefügt wurde, wonach der „Rechtsanwalt‑Intermediär“, dem eine Befreiung von der Meldepflicht aufgrund des Schutzes der Verschwiegenheitspflicht gewährt wird, verpflichtet ist, jeden anderen „Intermediär“ über seine Meldepflichten gegenüber den Steuerbehörden zu unterrichten. Der Generalanwalt kam in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass dies nicht gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens verstößt, wie es in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert ist, sofern der Name dieses Rechtsanwalts den Steuerbehörden im Rahmen der Erfüllung der Meldepflicht nicht offengelegt wird.

Entscheidung des EuGH

In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union die Vertraulichkeit jeder Korrespondenz zwischen Privatpersonen schützt und dem Schriftwechsel zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten einen verstärkten Schutz zuweist. Dieser besondere Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses wird dadurch gerechtfertigt, dass den Rechtsanwälten in einer demokratischen Gesellschaft eine grundlegende Aufgabe übertragen wird, nämlich die Verteidigung der Rechtsunterworfenen. Diese Aufgabe erfordert, dass es dem Einzelnen möglich sein muss, sich völlig frei an seinen Rechtsanwalt zu wenden, was in allen Mitgliedstaaten anerkannt wird. Das Berufsgeheimnis umfasst auch die Rechtsberatung, und zwar sowohl im Hinblick auf ihren Inhalt als auch im Hinblick auf ihre Existenz. Abgesehen von Ausnahmefällen müssen diese Mandanten daher mit Recht darauf vertrauen dürfen, dass ihr Anwalt ohne ihre Zustimmung niemandem offenlegen wird, dass sie ihn konsultieren.

Fundstelle

EuGH-Urteil vom 8. Dezember 2022 (C-694/20), Orde van Vlaamse Balies u.a

Mehr hierzu in der EuGH-Pressemitteilung Nr. 198/22 vom 8.12.2022.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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