Update: EuGH zur Reichweite und Grenzen der Stromsteuerbefreiung

In einem aktuellen Urteil hat der EuGH unter anderem entschieden, dass der elektrische Strom, der bei der Förderung eines Energieerzeugnisses wie Braunkohle im Tagebau und der anschließenden Umwandlung und Aufbereitung dieses Energieerzeugnisses in Kraftwerken zum Zwecke der Stromerzeugung verwendet wird, nicht steuerbefreit ist. Jedoch könne die anschließende Umwandlung und Aufbereitung dieses Energieerzeugnisses in Kraftwerken zum Zwecke der Stromerzeugung befreit sein, wenn diese Vorgänge für den technologischen Prozess der Stromerzeugung unentbehrlich sind und hierzu unmittelbar beitragen.

Hintergrund

Mit seinem Vorabentscheidungsersuchen möchte das Finanzgericht Düsseldorf im Wesentlichen Aufschluss darüber erhalten, welche Reichweite die Befreiung von der Steuer auf elektrischen Strom hat, die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 2003/96 vorgesehen ist, der u. a. bestimmt, dass „bei der Stromerzeugung … verwendeter elektrischer Strom sowie elektrischer Strom, der zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, elektrischen Strom zu erzeugen, verwendet wird“, von der Steuer auf elektrischen Strom befreit ist. Konkret soll geklärt werden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die in Rede stehende Steuerbefreiung bei der Erzeugung von elektrischem Strom aus Braunkohle aus Tagebauen für elektrischen Strom gilt, der für Vorgänge vor und nach der Stromerzeugung im technischen Sinne (Prozess der Umwandlung eines Energieerzeugnisses in elektrische Energie) verwendet wird.

Details zu dem Vorlagebeschluss des Finanzgerichts und den Schlussanträgen des Generalanwalts finden Sie in unserem Blogbeitrag vom 17. Oktober 2022.

Entscheidung des EuGH zu den Vorlagefragen

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die in der Rede stehenden EU- Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung für „elektrischen Strom, der zur Stromerzeugung verwendet wird“, den elektrischen Strom umfasst, der bei der Förderung eines Energieerzeugnisses wie Braunkohle im Tagebau und der anschließenden Umwandlung und Aufbereitung dieses Energieerzeugnisses in Kraftwerken zum Zwecke der Stromerzeugung verwendet wird. Hierzu der EuGH:

Die Steuerbefreiung (…) umfasst nicht den elektrischen Strom, der bei der Förderung eines Energieerzeugnisses wie Braunkohle im Tagebau verwendet wird, wenn dieser elektrische Strom nicht im Rahmen des technologischen Prozesses der Stromerzeugung, sondern zur Herstellung eines Energieerzeugnisses verwendet wird. Demgegenüber kann sich diese Steuerbefreiung auf die anschließende Umwandlung und Aufbereitung dieses Energieerzeugnisses in Kraftwerken zum Zwecke der Stromerzeugung erstrecken, wenn diese Vorgänge für den technologischen Prozess der Stromerzeugung unentbehrlich sind und hierzu unmittelbar beitragen.

RWE Power hatte zwar geltend gemacht, dass ein Braunkohlekraftwerk mangels eines nationalen und internationalen Liefermarkts für Braunkohle nur betrieben werden könne, wenn es sich in der Nähe eines Tagebaus befinde. Da die Lieferung von Braunkohle aus größeren Entfernungen nicht durchgeführt werde, erfordere nämlich jeder wirtschaftlich effiziente Betrieb ein Betriebsmodell, das auf einem Konzept eines einheitlichen Prozesses beruhe. Diese Erwägungen hält der EuGH jedoch nicht für zielführend, da die Steuerbefreiung von Strom, der zur Braunkohleförderung verwendet wird, durch die Begünstigung integrierter Unternehmen wie RWE Power in jedem Fall zu einer Wettbewerbsverzerrung auf dem Strommarkt führen würde.

Mit der zweiten Vorlagefrage war zu klären, ob die Befreiung von der Steuer auf „elektrischen Strom, der zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, elektrischen Strom zu erzeugen, verwendet wird“, den elektrischen Strom umfasst, der für den Betrieb von Anlagen zur Lagerung eines Energieerzeugnisses wie Braunkohle und von Transportmitteln bestimmt ist, mit denen dieses Erzeugnis aus den Tagebauen zu den Kraftwerken transportiert werden kann.

Dies erachtete der EuGH dann für möglich, wenn diese Vorgänge innerhalb von Kraftwerken stattfinden, sofern sie für die Aufrechterhaltung der Fähigkeit des technologischen Prozesses, elektrischen Strom zu erzeugen, unentbehrlich sind und hierzu unmittelbar beitragen, weil diese Vorgänge erforderlich sind, um die Aufrechterhaltung der Fähigkeit einer ununterbrochenen Stromerzeugung zu gewährleisten.

Aufgrund des gegebenen Sachverhalts - so der EuGH - zeige sich, vorbehaltlich der Prüfung durch das vorlegende Gericht, dass nur die im Kraftwerk stattfindenden Vorgänge der Lagerung und des Transports der Braunkohle als für die Aufrechterhaltung der Fähigkeit des technologischen Prozesses, elektrischen Strom zu erzeugen, unentbehrlich und hierzu unmittelbar beitragend angesehen werden könnten, da diese Vorgänge erforderlich wären, um die Aufrechterhaltung der Fähigkeit einer ununterbrochenen Stromerzeugung zu gewährleisten, so dass solche Vorgänge von der Steuer befreit werden könnten.

Demgegenüber scheinen die Vorgänge der Lagerung von Braunkohle im Tagebau eher mit dem Prozess der Braunkohleförderung als mit dem technologischen Prozess der Stromerzeugung verbunden zu sein, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist. Insoweit würde elektrischer Strom, der zur Lagerung von Braunkohle in diesen Tagebauen verwendet wird, nicht unter diese Steuerbefreiung fallen.

Update (23. Juni 2023)

Unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH gab das Finanzgericht mit Urteil vom 19. April 2023 (4 K 3119/18 VSt) der Klage teilweise statt. Die Steuerbefreiung setze demnach voraus, dass die Verwendung des elektrischen Stroms im Rahmen der Stromerzeugung erfolge, aber nicht zur Herstellung bzw. Gewinnung eines Energieerzeugnisses wie Braunkohle. Damit seien Vorgänge wie ihre Förderung im Tagebau und ihr Transport zum Zwecke der Lagerung von der Steuerbefreiung ausgeschlossen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das beklagte Hauptzollamt hat gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die unter dem Az. VII B 71/23 beim Bundesfinanzhof anhängig ist.

Fundstelle

EuGH-Urteil vom 9. März 2023 (C‑571/21), RWE Power

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