EuGH zur Differenzbesteuerung für Gebrauchtwagen

In einem belgischen Fall hat der EuGH entschieden, dass endgültig stillgelegte Kraftfahrzeuge, die „zum Ausschlachten“ verkauft werden sollen, ohne dass die verwertbaren Teile aus den Fahrzeugen entnommen wurden, Gebrauchtgegenstände darstellen können, wenn sie noch Teile enthalten, die die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten und wenn feststeht, dass diese Fahrzeuge aufgrund einer solchen Wiederverwendung der Teile in ihrem Wirtschaftszyklus geblieben sind.

Hintergrund

Für Gebrauchtgegenstände können Steuerpflichtige unter den in Artikel 311 bis 315 der Mehrwertsteuerrichtlinie (MwStRL) genannten Voraussetzungen von der Differenzbesteuerung Gebrauch machen. Mehrwertsteuerpflichtig ist insofern die Handelsspanne des steuerpflichtigen Wiederverkäufers.

Ein belgischer Unternehmer (IT) hatte insbesondere Fahrzeuge mit Totalschaden von Versicherungsunternehmen erworben und sie als Autowracks oder „zum Ausschlachten“ an Dritte weiterverkauft. Auf der Grundlage der nationalen Bestimmungen, mit denen die Art. 311 und 313 MwStRL umgesetzt werden, entschied die belgische Steuerverwaltung, Rechnungen, die den Ausdruck „Zum Ausschlachten verkaufte Fahrzeuge“ enthielten, bzw. Rechnungen, die Autowracks betrafen, von der Differenzbesteuerung auszuschließen.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH legt Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 MwStRL dahin aus, dass endgültig stillgelegte Kraftfahrzeuge, die ein Unternehmen von dem in Art. 314 genannten Personenkreis erworben hat und die „zum Ausschlachten“ verkauft werden sollen, ohne dass die verwertbaren Teile aus den Fahrzeugen entnommen wurden, Gebrauchtgegenstände darstellen, wenn sie zum einen noch Teile enthalten, die die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, so dass sie in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet werden können, und zum anderen feststeht, dass diese Fahrzeuge aufgrund einer solchen Wiederverwendung der Teile in ihrem Wirtschaftszyklus geblieben sind.

Begründung:

Im Ausgangsfall wurden Fahrzeuge mit Totalschaden erworben, die deshalb endgültig stillgelegt waren. Daher können diese Fahrzeuge nur als Wracks oder für eine weitere Verwendung der Teile, aus denen sie bestehen („Weiterverkauf zum Ausschlachten“) weiterverkauft werden und nicht, um in ihrem derzeitigen Zustand wiederverwendet oder instandgesetzt zu werden, wobei sich die Frage des vorlegenden Gerichts nur auf den Fall des Weiterverkaufs „zum Ausschlachten“ bezieht.

Der EuGH stellt weiter fest, dass die Anwendung der Differenzbesteuerung nicht zwangsläufig eine Identität zwischen dem angekauften und dem verkauften Gegenstand voraussetzt. Es sei zu berücksichtigen, dass die von einem steuerpflichtigen Wiederverkäufer wie IT erworbenen Fahrzeuge endgültig stillgelegt sind und daher nicht wiederverkauft werden können, um in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung wiederverwendet zu werden. Da das Fahrzeug als solches als beweglicher körperlicher Gegenstand per definitionem in seinem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung nicht erneut verwendbar im Sinne von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 MwStRL ist, sind für die Prüfung, ob es als Gebrauchtgegenstand angesehen und ob demnach darauf die Differenzbesteuerung angewandt werden kann, nur die Bestandteile des Fahrzeugs zu berücksichtigen, die im Rahmen eines Wiederverkaufs durch den steuerpflichtigen Wiederverkäufer an andere Personen erneut verwendbar sind.

Diese Auslegung, so der EuGH, stehe mit dem Ziel in Einklang, u. a. Doppelbesteuerungen zu vermeiden, die sich aus dem Umstand ergeben können, dass zum einen im Verkaufspreis dieser Bestandteile schon zwangsläufig die Mehrwertsteuer berücksichtigt wurde, die im Vorfeld durch eine Person, die unter Art. 314 MwStRL fällt, beim Kauf des Fahrzeugs entrichtet wurde, und zum anderen dieser Betrag weder von dieser Person noch vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer abgezogen werden kann (hierzu: Urteil vom 18. Januar 2017, Sjelle Autogenbrug C‑471/15, Rn. 39 und 40).

Im vorliegenden Fall muss das vorlegende Gericht jetzt noch diverse Aspekte zu den Funktionsbestandteilen der Fahrzeuge und deren letztliches Schicksal (Verschrottung oder Verkauf) final prüfen (Rz. 24 – 27 im Urteil).

Fundstelle

EuGH-Urteil vom 17. Mai 2023 Rechtssache C-365/22 État belge (TVA – Véhicules vendus pour pièces).

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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