EuGH: Versagung des Vorsteuerabzugs bei Nichtigkeit des Geschäfts nach nationalem Zivilrecht

Die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nach dem nationalen Zivilrecht kann für sich allein betrachtet nicht zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs führen. Nach einem Urteil des EuGH gilt dies jedoch nur dann, wenn seitens des nationalen Gerichts geprüft und sichergestellt wurde, dass der Vorgang nicht als fiktiver Umsatz einzustufen ist oder dass, wenn dieser Umsatz tatsächlich bewirkt wurde, er nicht auf einer Mehrwertsteuerhinterziehung oder einem Rechtsmissbrauch beruht.

Ausgangslage

Die M. sp. z o.o. S.K.A. stellte eine Rechnung über einen der Mehrwertsteuer unterliegenden Markenverkauf an W. aus, die Mehrwertsteuer wurde erklärt und entrichtet.

Das vorlegende polnische Gericht hat der Rechtsprechung des EuGH entnommen, dass Ausnahmen vom Recht auf Vorsteuerabzug nur in den in der Richtlinie 2006/112 ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig seien, dass sie eng auszulegen seien und dass dieses Recht zu versagen sei, wenn anhand der objektiven Sachlage nachgewiesen werde, dass es in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht werde.

Dem EuGH wurde somit folgende Vorlagefrage eingereicht: Sind die Grundsätze der Steuerneutralität und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die dem Steuerpflichtigen das Recht auf Abzug der Vorsteuer auf den Erwerb eines Rechts (Gegenstands), der nur zum Schein im Sinne der nationalen zivilrechtlichen Vorschriften erfolgt ist, versagt, und zwar unabhängig von der Feststellung, ob mit dem Umsatz ein Steuervorteil angestrebt wurde, dessen Gewährung einem oder mehreren Zielen der Richtlinie zuwiderliefe, und ob dieser Vorteil den wesentlichen Zweck der vertraglichen Vereinbarung ausgemacht hat?

So entschied der EuGH:

Der EuGH verwies in seiner aktuellen Entscheidung auf seine Rechtsprechung, wonach es dem Mechanismus der Mehrwertsteuer immanent ist, dass ein fiktiver Umsatz nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen kann, da er in keinerlei Verbindung zu den auf der Ausgangsstufe versteuerten Umsätzen stehen kann (Urteil vom 8. Mai 2019, EN.SA., C‑712/17, Rn. 24 und 25). Um das Recht auf Vorsteuerabzug unter solchen Umständen grundsätzlich bejahen zu können, müsse im vorliegenden Fall geprüft werden, ob die Markenübertragung, die zur Stützung dieses Rechts geltend gemacht wird, tatsächlich durchgeführt wurde und ob die betreffenden Marken vom Steuerpflichtigen für seine besteuerten Umsätze benutzt wurden; die Beweislast liegt hier beim Steuerpflichtigen. Die Würdigung dieses Nachweises ist vom nationalen Gericht anhand einer umfassenden Beurteilung aller Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, so der EuGH.

Ergibt sich danach, dass die geltend gemachte Markenübertragung nicht tatsächlich durchgeführt wurde, kann kein Recht auf Vorsteuerabzug entstehen. Stellt sich heraus, dass die Übertragung tatsächlich durchgeführt wurde und die übertragenen Marken vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für seine besteuerten Umsätze benutzt wurden, könne ihm das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich nur dann versagt werden, wenn objektiv feststeht, dass dieses Recht in einer Weise geltend gemacht wird, die keine Steuerhinterziehung oder keinen Rechtsmissbrauch darstellt.

Fazit (Antwort des EuGH auf die Vorlagefrage): Die einschlägigen Vorschriften der Mehrwertsteuerrichtlinie stehen nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen dem Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug allein deshalb versagt wird, weil ein steuerbarer wirtschaftlicher Vorgang in Anwendung der Bestimmungen des nationalen Zivilrechts als Scheingeschäft eingestuft wird und nichtig ist, ohne dass dargetan werden muss, dass die Voraussetzungen dafür, diesen Vorgang nach Maßgabe des Unionsrechts als fiktiven Umsatz einzustufen, erfüllt sind oder dass, wenn dieser Umsatz tatsächlich bewirkt wurde, er auf einer Mehrwertsteuerhinterziehung oder einem Rechtsmissbrauch beruht.

Fundstelle

EuGH-Urteil vom 25. Mai 2025 C‑114/22 Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Warszawie (TVA – Acquisition fictive).

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