EuGH: Hinzurechnung von Streubesitzdividenden aus Auslandsbeteiligungen in 2001 nicht unionsrechtswidrig

Die Hinzurechnung eines Teils der Streubesitzdividenden aus Auslandsbeteiligungen nach § 8 Nr. 5 Gewerbesteuergesetz im Erhebungszeitraum 2001 stellt keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dar, wenn und soweit diese Dividenden - wie im vorliegenden Streitfall - in einem vorangegangenen Ermittlungsschritt von der Bemessungsgrundlage abgezogen worden sind. Dies hat der Europäische Gerichtshof aufgrund eines Vorlagebeschlusses des Bundesfinanzhofes entschieden.

Hintergrund

Der Rechtsstreit betrifft die im Erhebungszeitraum 2001 bestehende Übergangsregelung als Folge der Systemumstellung vom früheren körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren auf das sog. Halbeinkünfteverfahren. Die Gewinnausschüttungen im Streitfall waren nur zu 80 % bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen. Das Finanzamt unterwarf jedoch den nach Ausübung des sogenannten Blockwahlrechts von der Körperschaftsteuer befreiten Teil der Dividenden (20%) der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung.

In einem früheren Urteil hatte der BFH in dem Umstand, dass die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 Gewerbesteuergesetz (GewStG) auf Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen im Gegensatz zu Dividendeneinnahmen aus Inlandsbeteiligungen erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden ist, eine Benachteiligung der Beteiligung an Auslandskapitalgesellschaften gesehen, die der Kapitalverkehrsfreiheit widerspricht. Die damalige Beurteilung erschien dem BFH bei nochmaliger Prüfung zweifelhaft, da die Dividendeneinnahmen aus Streubesitzbeteiligungen in beiden Fällen (Auslandsbeteiligungen und Inlandsbeteiligungen) in voller Höhe in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer eingehen (siehe hierzu die Ausführungen in Tz. 19 – 21 des Vorlagebeschlusses I R 5/18). § 8 Nr. 5 GewStG führe nicht dazu, dass Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen in Streubesitz steuerlich ungünstiger behandelt werden als Dividendeneinnahmen aus vergleichbaren Inlandsbeteiligungen. Die Dividendeneinnahmen aus Streubesitzbeteiligungen gehen vielmehr in beiden Fällen in gleicher Höhe - jeweils zu 100 % - in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ein.

Mehr zum Sachverhalt und dem Vorlagebeschluss lesen Sie in unserem Blogbeitrag vom 9. Mai 2022.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH bestätigt in seinem heutigen Urteil die Einschätzung des BFH und sieht im Vorlagefall keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Die Antwort auf die Vorlagefrage bringen die Europarichter wie folgt auf den Punkt:

Art. 63 AEUV steht einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach der bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einer Gesellschaft Dividenden, die aus Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften in Höhe von weniger als 10 % stammen, der Bemessungsgrundlage wieder hinzugerechnet werden, wenn und soweit diese Dividenden in einem vorangegangenen Ermittlungsschritt von der Bemessungsgrundlage abgezogen worden sind, während Dividenden, die aus vergleichbaren Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften stammen, von Anfang an zur Bemessungsgrundlage gehören, ohne von ihr abgezogen und folglich ohne ihr wieder hinzugerechnet zu werden.

Dem Vorbringen der H Lebensversicherung, dass sich eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs aus der Komplexität der betreffenden deutschen Vorschriften sowie aus deren Unvorhersehbarkeit aufgrund der Reform und des Umstands ergebe, dass eine Unsicherheit in Bezug auf die Anlageergebnisse nur bei Investitionen in ausländische Gesellschaften bestanden habe, folgte der EuGH nicht. Zum einen gehe Anwendung dieser Vorschriften darauf zurück, dass die H Lebensversicherung ein Wahlrecht ausgeübt hat. Zum anderen ist der Einwand auch nicht geeignet, zu belegen, dass es unmöglich oder übermäßig schwierig gewesen wäre, die in diesen Vorschriften vorgesehenen Regelungen bei der Investition in ausländische Gesellschaften einzuhalten.

Die H Lebensversicherung hatte zudem argumentiert, dass die in Rede stehende deutsche Regelung die Weiterveräußerung von Beteiligungen an einer ausländischen Gesellschaft attraktiver gemacht habe als sie zu behalten, da im Fall ihrer Weiterveräußerung die daraus resultierenden Gewinne nicht gewerbesteuerpflichtig gewesen wären. dadurch, so der EuGH, sei nicht nachgewiesen, dass Dividenden, die eine ausländische Gesellschaft ausgeschüttet hat, im Verhältnis zu Dividenden, die eine inländische Gesellschaft ausgeschüttet hat, benachteiligt würden, weil die Beteiligungen behalten werden.

Fundstelle

EuGH-Urteil vom 22. Juni 2023 in der Rechtssache C-258/22 H Lebensversicherung

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

To the top