EuGH zur Differenzbesteuerung: Steuer auf innergemeinschaftlichen Erwerb ist Teil der Bemessungsgrundlage bei Weiterveräußerung
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist die Mehrwertsteuer, die ein steuerpflichtiger Wiederverkäufer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb eines Kunstgegenstands entrichtet hat, dessen spätere Lieferung der Differenzbesteuerung nach Art. 316 Abs. 1 der Mehrwertsteuer-Richtlinie unterliegt, Teil der Steuerbemessungsgrundlage dieser Lieferung. Vorausgegangen war diesem Urteil ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofes in der Rechtssache Mensing.
Sachverhalt
Streitig ist, ob bei Anwendung der Differenzbesteuerung auf Lieferungen von Kunstgegenständen, die vom Kläger zuvor von den Künstlern innergemeinschaftlich erworben wurden, die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb die zu besteuernde Handelsspanne (Marge) mindert. Diese Lieferungen wurden von den Künstlern in ihren Ansässigkeitsstaaten jeweils als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt. Der Kläger versteuerte die innergemeinschaftlichen Erwerbe mit dem ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt verweigerte die Anwendung der Differenzbesteuerung. Der Bundesfinanzhof (BFH) ist im Rahmen der Beurteilung nach nationalem Recht der Ansicht, dass eine Berücksichtigung der streitigen Umsatzsteuer bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Differenzbesteuerung aufgrund einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 25a Abs. 3 Satz 3 UStG möglich ist.
Mehr Hintergrundinformation finden Sie in unserem Blogbeitrag vom 24. März 2023 anlässlich der vorangegangenen Schlussanträgen von Generalanwalt (GA) Szpunar.
Urteil des EuGH
Der EuGH folgte dem Ergebnis des GA und entschied, dass die Mehrwertsteuer, die ein steuerpflichtiger Wiederverkäufer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb eines Kunstgegenstands entrichtet hat, dessen spätere Lieferung der Differenzbesteuerung nach Art. 316 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie (MwStRL) unterliegt, Teil der Steuerbemessungsgrundlage (des Kaufpreises) dieser Lieferung ist.
Während die Mehrwertsteuer, die der steuerpflichtige Wiederverkäufer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb eines später unter Anwendung der Differenzbesteuerung gelieferten Kunstgegenstands entrichtet hat, kein Bestandteil des Einkaufspreises dieses Gegenstands ist, wird die Mehrwertsteuer, die ein steuerpflichtiger Wiederverkäufer in einem Mitgliedstaat anlässlich des Erwerbs eines Kunstgegenstands entrichtet, der später unter Anwendung der Differenzbesteuerung im selben Mitgliedstaat geliefert wird, vom Wiederverkäufer im Allgemeinen unmittelbar an seinen Lieferer gezahlt, der sie nach Art. 193 MwStRL grundsätzlich an den Fiskus abzuführen hat, so dass sie unter den Begriff „Kaufpreis“ im Sinne von Art. 312 Nr. 2 MwStRL fällt.
Außerdem, so der EuGH weiter, sieht Art. 317 Abs. 2 MwStRL für die Lieferung von Kunstgegenständen, die der steuerpflichtige Wiederverkäufer selbst eingeführt hat, ausdrücklich vor, dass der für die Berechnung der Differenz zugrunde zu legende Einkaufspreis gleich der Steuerbemessungsgrundlage bei der Einfuhr zuzüglich der für die Einfuhr geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer ist.
Weiter führt der EuGH in seinem Urteil noch folgendes aus:
Die wörtliche Auslegung der Art. 312 und 315 sowie des Art. 317 Abs. 1 der MwStRL führt zu einer unterschiedlichen steuerlichen Belastung der Lieferungen in einem Mitgliedstaat, je nachdem, ob der Kunstgegenstand innergemeinschaftlich erworben wurde, vom steuerpflichtigen Wiederverkäufer im selben Mitgliedstaat erworben wurde oder aus einem Drittland eingeführt wurde. Diese Sachlage ergibt sich jedoch unmittelbar aus dem Wortlaut der betreffenden Vorschriften.
Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität erlaube jedoch nicht die Ausweitung des Geltungsbereichs einer Bestimmung dieser Richtlinie entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut, der nur durch ein Eingreifen des Unionsgesetzgebers geändert werden kann (worauf der GA in Nr. 41 und 61 seiner Schlussanträge ebenfalls hingewiesen hatte).
Fundstelle
EuGH-Urteil vom 13. Juli 2023 in der Rechtssache C‑180/22 Mensing II