Zeitliche Anwendbarkeit der Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG und des Motivtests (sog. Principal-Purpose-Test (PPT))

Das Finanzgericht Köln hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass der DBA-rechtlichen Entlastung von Kapitalertragsteuer einer (in der Schifffahrtsbranche tätigen) zypriotischen Holdinggesellschaft § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG n.F. aufgrund der Erfüllung des PPTs in Satz 2 nicht entgegensteht.

Hintergrund

Zunächst hatte das Finanzgericht Köln mit Urteil v. 23.1.2019 im ersten Rechtsgang entschieden, dass § 50d Abs. 3 EStG a.F. der DBA-rechtlichen Entlastung von Kapitalertragsteuer auf Zinsen aus Wandelanleihen nicht entgegensteht, da die EuGH-Rechtsprechung zu Dividenden in den Rechtssachen Deister Holding und Juhler Holding auf den Streitfall zu übertragen und nicht von einer missbräuchlichen Gestaltung auszugehen sei (siehe unseren Blogbeitrag). An dieser Auffassung hatte der BFH erhebliche Zweifel und verwies das Verfahren an das Finanzgericht Köln mit dem Hinweis zurück, dass aufgrund der Änderung des § 50d Abs. 3 EStG durch das AbzStEntModG und der in § 52 Abs. 47b EStG vorgesehenen “Günstigerprüfung” nunmehr auch § 50d Abs. 3 EStG n.F. tatrichterlich zu prüfen sei.

Das Finanzgericht Köln bestätigt im zweiten Rechtsgang zwar im Ergebnis weiterhin das Vorliegen eines DBA-rechtlichen Entlastungsanspruchs, ändert aber seine Begründung im Vergleich zum ersten Rechtsgang. Auf eine Übertragung der vorgenannten EuGH-Rechtsprechung auf den Streitfall käme es nicht mehr an, da mit dem PPT in § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG n.F. nunmehr eine Gegenbeweismöglichkeit im Einzelfall bestünde.

Sachverhalt

Klägerin war eine in Zypern ansässige Kapitalgesellschaft, die zu 15% an einer in Deutschland ansässigen AG beteiligt war und zusätzlich Wandelanleihen an dieser gezeichnet hatte. Aus letzteren bezog sie in den Streitjahren 2010 und 2011 abzugsteuerpflichtige Kapitalerträge, für die die Klägerin die teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer auf Grundlage von § 50d Abs. 1 EStG a.F. i.V.m. Art. 11 DBA-Zypern begehrte.

Geschäftszweck der Klägerin war die (temporäre) Beteiligung an hauptsächlich in Liberia, Zypern und Jersey ansässigen Unternehmen der Schifffahrtsbranche als strategischer oder finanzieller Investor. Dabei war sie hinsichtlich ihrer Beteiligungen nicht selbst geschäftsleitend tätig, sondern hatte dies vollständig an ihre ebenfalls in Zypern ansässige Schwestergesellschaft, die Management Co. Ltd., ausgelagert. Diese besaß eigene Büroräume mit entsprechender Geschäftseinrichtung sowie 14 Mitarbeiter. Im zweiten Rechtsgang trug die Klägerin ergänzend vor, dass sie durch ihre Beteiligungen als zentrale Investmentgesellschaft des Konzerns fungiere, z.B. war sie ab dem Streitjahr 2011 zu 100 % an einer deutschen GmbH beteiligt und erzielte hieraus Dividenden. Diese waren jedoch nicht Streitgegenstand des Verfahrens.

Richterliche Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts Köln ist das Vorliegen der persönlichen und sachlichen Entlastungsberechtigung nach § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG n.F. fraglich.

Mit Blick auf die persönliche Entlastungsberechtigung gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F. ließ das Finanzgericht offen, ob in einer Beteiligungskette immer der nämliche (sprich “dieser”) Anspruch vorliegen muss, da bis zu den in UK ansässigen natürlichen Personen auch in Nicht-DBA-Ländern ansässige Gesellschaften zwischengeschaltet waren.

Im Rahmen der sachlichen Entlastungsberechtigung nach § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG lag lt. Finanzgericht zwar eine über die passive Beteiligungsverwaltung hinausgehende Wirtschaftstätigkeit vor und auch die Auslagerung von Tätigkeiten sei nicht mehr per se schädlich. Jedoch sei nur auf die Verhältnisse der Klägerin abzustellen, wodurch zweifelhaft war, ob die sachliche Entlastungsberechtigung vorlag.

Jedoch sei der Klage stattzugeben, da der PPT in § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG aufgrund folgender Aspekte erfüllt ist:

  • Anders als im Rahmen der sachlichen Entlastungsberechtigung sind im Rahmen des PPT “Konzernverhältnisse” mit zu berücksichtigen. Folglich sind die Verhältnisse der Unternehmensgruppe, der die Klägerin angehört, insbesondere unter Berücksichtigung organisatorischer, wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Merkmale sowie Strukturen und Strategien dieser Gruppe zu beachten.
  • Die Unternehmensgruppe und die Klägerin als zentrale Holdinggesellschaft seien für die internationale Schifffahrtsbranche und für Investments in der internationalen Containerschifffahrt typisch strukturiert: Dort sei es üblich sog. „Einschiffs-Gesellschaften“ in Zypern, Liberia und Jersey zu gründen, da deren Rechtssysteme aufgrund außersteuerlicher Gründe (Arbeitsrecht, Haftung) hierfür besonders dienlich seien. Auch die Funktionsaufteilung auf mehrere Einschiffs-Gesellschaften, die einheitlich über eine einzelne Konzerngesellschaft gemanagt werden, sei hierfür typisch. Für die Management Co. Ltd. sei diesbezüglich schon im ersten Rechtsgang festgestellt worden, dass kein steuerlicher Missbrauch vorliegt.
  • Hieran ändere auch die zwar nicht zwingende, aber auch nicht ungewöhnliche Gründung einer zweiten zypriotischen Investmentgesellschaft, der Klägerin, nichts. Dabei waren jedoch auch die erst im zweiten Rechtsgang vorgebrachten Nachweise der Investmenttätigkeit dieser relevant, z.B. durch den Dividendenbezug aus der Beteiligung an der deutschen GmbH. Entscheidend war dabei auch die Feststellung des Finanzgerichts Köln, dass die Klägerin keine Mittel in Form von Dividenden oder Zinsen „nach oben“ weitergeleitet hatte und somit nicht als „Durchleitungsgesellschaft“ i.S.d. EuGH-Rechtsprechung in den sog. “dänischen Fällen” qualifizierte.
  • Die gewählte Struktur sei außerdem dadurch entstanden, dass ein Reeder die Unternehmensgruppe in zwei Jersey-Trusts eingebracht hatte, um seine im Vereinigten Königreich ansässigen Abkömmlinge zu versorgen.
  • Das Finanzgericht Köln wertete zudem ein Schreiben der Klägerin an ihre Mitaktionäre zum Hintergrund ihres Investments aus dem Jahr 2008 als Nachweis, dass die Beteiligung nicht nur zum Bezug von Dividenden und Zinsen führen, sondern über die AG auch den Zugang zu einem Unternehmen mit bedeutender strategischer Position im europäischen Markt für Containerschifffahrt ermöglichen sollte.
  • In diesem Kontext sei es auch vernachlässigbar, dass zwischen der mittelbaren zypriotischen Anteilseignerin der Klägerin, der Holdings Ltd., eine zunächst unnötig erscheinende in Liberia ansässige Gesellschaft zwischengeschaltet wurde. Denn mit Blick auf die in den Streitjahren noch feststellbaren Auswirkungen der Bürgerkriege in Liberia sei es nachvollziehbar, die Investmenttätigkeiten der Unternehmensgruppe in einem stabileren Umfeld (Zypern) anzusiedeln.

Fundstelle

Finanzgericht Köln, Urteil vom 21. Juni 2023 (2 K 1315/13); die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BFH unter dem Az.: I B 31/23 anhängig.

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