Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland

Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland ist im Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten notwendig sind (entgegen: Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112). Bei einer beamtenrechtlich zugewiesenen Dienstwohnung sind die Unterkunftskosten am ausländischen Beschäftigungsort stets in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, war im Streitjahr 2017 als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in verschiedenen Ländern in Asien tätig und wohnte – wie vom Auswärtigen Amt angewiesen – in Wohnungen, die sich in den jeweiligen Botschaften befanden. Die Wohnungen hatten eine Größe zwischen 186 m² und 249 m². Neben seinem steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn (98.312 €) erhielt der Kläger steuerfreie Auslandszuschläge (58.249 €), sein Gehalt wurde allerdings um als „Dienstwohnungsvergütung“ bezeichnete Beträge gekürzt (zwischen rund 1.500 € und 1.800 € monatlich). Die Klägerin - seine Ehefrau - wohnte während des gesamten Streitjahrs in der gemeinsamen Wohnung der Kläger im Inland.

Mit ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger Kosten für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von rund 25.000 € geltend. In diesem Betrag enthalten ist die Kürzung der Bezüge um die als „Dienstwohnungsvergütung“ bezeichnete Beträge.

Das Finanzamt hingegen vertrat die Auffassung, die Aufwendungen seien nicht in voller Höhe „notwendig“ gewesen und nur abziehbar, soweit sie auch für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung von maximal 60 m² entstanden wären.

Die Klage vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte Erfolg (siehe unseren Blogbeitrag).

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sind im Streitfall erfüllt, wie das Finanzgericht ohne Rechtsfehler entschieden hat.

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG enthält mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 eine besondere Bestimmung zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Inland. Die Prüfung der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG vorgesehenen Beschränkung auf notwendige Mehraufwendungen entfällt in diesem Fall.

Angesichts des eindeutigen Wortlauts ("im Inland") scheidet eine Anwendung der Regelung auf einen ‑wie im Streitfall‑ im Ausland belegenen Zweithaushalt indes aus.

Eine Typisierung dahingehend, dass Unterkunftskosten, die den Durchschnittsmietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten, notwendig in diesem Sinne sind ‑wie der erkennende Senat in der bis zum Veranlagungszeitraum 2013 geltenden Fassung für Inlandssachverhalte angenommen hat (s. BFH, Urteil vom 09.08.2007, VI R 10/06, BStBl II 2007, 820, unter II.2. sowie BFH, Beschluss vom 12.07.2017, VI R 42/15, BStBl II 2018, 13, Rz 10, m.w.N.)‑, kommt für Auslandssachverhalte und damit im Streitfall nicht in Betracht (entgegen: BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112).

Der BFH hat sich bei dieser typisierenden Bestimmung des notwendigen zusätzlichen Wohnbedarfs am Beschäftigungsort an dem inländischen sozialhilferechtlich anerkannten Mindestbedarf für Unterkunft und Wohnen einer Person nach § 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und der zu dieser Vorschrift ergangenen sozialrechtlichen Rechtsprechung orientiert. Die vorgenommene Typisierung des Tatbestandsmerkmals "notwendig" gründet damit im Wesentlichen auf einem nach inländischen Verhältnissen bemessenen Merkmal, das sich als Maßgröße für die Notwendigkeit von Unterkunftskosten im Ausland nicht fruchtbar machen lässt.

Im Übrigen ist eine "Übertragung" der sogenannten "60 qm–Rechtsprechung" auf Auslandssachverhalte schon deshalb nicht angezeigt, weil die dahingehende typisierende Gesetzesauslegung des Tatbestandsmerkmals "notwendig" nicht der einfacheren Handhabung in steuerlichen Massenverfahren dient. Sie ist vielmehr bei Auslandssachverhalten nicht handhabbar. Denn belastbare Feststellungen zum ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins) am ausländischen Beschäftigungsort können in der Regel ‑auch unter Berücksichtigung der erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (§ 90 Abs. 2 der Abgabenordnung)‑ weder von den Beteiligten im Veranlagungsverfahren erhoben noch von den Finanzgerichten belastbar überprüft werden.

Hinzu kommt, dass eine Typisierung sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren muss (z.B. BFH, Urteil vom 29.04.2021, VI R 31/18, BStBl II 2021, 606, Rz 19, m.w.N.). Ein solch typischer Fall lässt sich für Unterkunftskosten aufgrund einer doppelten Haushaltsführung im Ausland aber schon deshalb nicht ausmachen, weil diese maßgebend von den jeweiligen Gegebenheiten im einzelnen Land geprägt sind. Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland ist deshalb stets im Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten im Ausland notwendig, das heißt nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung erforderlich sind (entgegen: BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112).

Nach diesen Maßstäben sind die vom Kläger für seine Zweitwohnungen gezahlten Unterkunftskosten ‑vorbehaltlich der Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG‑ in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen seiner doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen, da sie nach objektiven Maßstäben insgesamt zur Zweckverfolgung erforderlich waren.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 9. August 2023 (VI R 20/21), veröffentlicht am 9. November 2023.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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