EuGH-Schlussanträge zur Antragsveranlagung für in Schweiz ansässige deutsche Arbeitnehmer

Das Finanzgericht Köln hält den Ausschluss einer Antragsveranlagung zur Einkommensteuer für in der Schweiz ansässige deutsche Arbeitnehmer für europarechtswidrig und hatte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Auch der Generalanwalt sieht in seinen heutigen Schlussanträgen eine Unvereinbarkeit der deutschen Regelung mit dem Freizügigkeitsabkommen der EU und der Schweiz.

Hintergrund

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Frage, ob es mit dem Freizügigkeitsabkommen der EU mit der Schweiz (FZA) vereinbar ist, wenn in Deutschland oder in EU/EWR-Staaten mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ansässige Arbeitnehmer eine Veranlagung zur Einkommensteuer zur Berücksichtigung von Werbungskosten sowie Anrechnung von einbehaltener deutscher Lohnsteuer beantragen können, dies aber deutschen und schweizerischen Staatsangehörigen mit Ansässigkeit in der Schweiz verwehrt wird.

Mehr zum Sachverhalt und Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Köln in unserem Blogbeitrag vom 26. Oktober 2022.

Schlussanträge

In seinen Schlussanträgen folgt Generalanwalt (GA) Manuel Campos Sánchez-Bordona im Ergebnis der Einschätzung des Finanzgerichts und schlägt dem Gericht vor, wie folgt zu entscheiden:

Die in Rede stehende deutsche Regelung widerspricht insofern dem zwischen der EU und der Schweiz geschlossenen FZA, als sie den in der Schweiz ansässigen und in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern, die Möglichkeit verwehrt, eine Veranlagung zur Einkommensteuer mit dem Ziel des Abzugs von Werbungskosten sowie der Anrechnung von Lohnsteuer zu beantragen, während diese Möglichkeit den in anderen Mitgliedstaaten der EU oder des EWR ansässigen Arbeitnehmern eingeräumt wird.

Die Ziele des FZA sind auf der Grundlage der in der EU geltenden Bestimmungen zu verwirklichen, deren Begriffe im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgelegt werden müssen. Insbesondere dürfen Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei sind, aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit (…) nicht anders behandelt werden als inländische Arbeitnehmer. Bereits in der Vergangenheit, so der GA, habe der EuGH festgestellt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf die steuerlichen Vergünstigungen „von einem erwerbstätigen Staatsangehörigen einer Vertragspartei, der sein Freizügigkeitsrecht ausgeübt hat, auch gegenüber seinem Herkunftsstaat geltend gemacht werden kann" (Urteil vom 21. September 2016, Radgen C‑478/15 (Rn. 36) unter Verweis auf das Urteil vom 19. November 2015, Bukovansky C‑241/14 (Rn. 47). Nach Dafürhalten des GA spricht insofern nichts dagegen, dass in der Schweiz ansässige deutsche Staatsangehörige diese Bestimmung gegenüber den deutschen Behörden geltend machen können.

Die in den deutschen Vorschriften enthaltene Diskriminierung könne auch nicht aufgrund des Wohnsitzes gerechtfertigt werden. Denn letztlich kann die Benachteiligung, die das deutsche Recht für die Antragsveranlagung von Arbeitnehmern vorsieht, die beschränkt steuerpflichtig und in der Schweiz ansässig sind, nicht durch die Möglichkeit „kompensiert“ werden, ihre Werbungskosten bei der Berechnung ihres Steuerabzugs geltend zu machen.

Zur Frage der Stand still Klausel (Art. 13 FZA):

Art. 13 FZA betreffe neue Beschränkungen (die verboten sind), schützt aber nicht solche, die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Abkommens bestanden. Folglich könne dieser Artikel nur dahin gehend wirken, dass keine künftigen Beschränkungen eingeführt werden, bringt aber die Aufhebung früherer Beschränkungen mit sich: Andernfalls würde die liberalisierende Wirkung des FZA neutralisiert. Der vom deutschen Finanzamt vertretene Umkehrschluss zu Art. 13 FZA sei nicht vertretbar.

Fundstelle

EuGH-Schlussanträge vom 16. November 2023 in der Rechtssache C-627/22 , Finanzamt Köln-Süd (Imposition sur demande d’un assujetti partiel)

Eine englische Zusammenfassung der Schlussanträge finden Sie hier.

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