Wegzugsbesteuerung: Nichtberücksichtigung einer nachträglich eingetretenen Wertminderung der Anteile im Zuzugsstaat

Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs setzt eine Korrektur der Veranlagung des Wegzugsjahres aufgrund der nach dem Wegzug eingetretenen Wertminderung der Anteile nicht voraus, dass der im Zuzugsstaat nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtete Steuerpflichtige die Berücksichtigung der Wertminderung im Zuzugsstaat erfolglos beantragt hat.

Hintergrund

Der Streitfall betraf das Jahr 2012. Durch den Wegzug des inzwischen verstorbenen Ehemanns (M) der Klägerin nach Österreich wurde zunächst gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Außensteuergesetz (AStG) Einkommensteuer auf einen fiktiven Veräußerungsgewinn (M hielt bis dato 50 % der Anteile an einer inländischen GmbH) ausgelöst, die seitens des Finanzamts zinslos gestundet wurde. Durch die Veräußerung der Beteiligung im Jahr 2016 war die Stundung zu widerrufen. In der Zwischenzeit hatten die Anteile eine erhebliche Wertminderung erfahren; eine Änderung des Einkommensteuerbescheids lehnt das Finanzamt jedoch unter Hinweis auf eine mögliche Berücksichtigung der Wertminderung in Österreich ab. Das Finanzgericht hatte die Klage abgewiesen. Eine rückwirkende Änderung des fiktiven Veräußerungsgewinns gem. § 6 Abs. 6 AStG setze zumindest voraus, dass im Zuzugsstaat eine Steuererklärung abgegeben worden sei (siehe hierzu unseren Blogbeitrag vom 24. August 2021).

Entscheidung des BFH

Der BFH gab der Revision der Klägerin statt. Die zwischen Wegzug (in 2012) und im Zuge der Anteilsveräußerung (in 2016) eingetretene Wertminderung ist zu berücksichtigen.

Ist bei einer Veräußerung der Beteiligung der Veräußerungsgewinn im Zeitpunkt der Beendigung der Stundung niedriger als der Vermögenszuwachs und wird die Wertminderung bei der Einkommensbesteuerung durch den Zuzugsstaat nicht berücksichtigt, ist der Steuerbescheid insoweit aufzuheben oder zu ändern. 

Diese tatbestandliche Anforderung versteht das oberste Steuergericht dahingehend, dass es auf die konkrete Berücksichtigung der Wertminderung im Rahmen des durch eine Finanzbehörde des Zuzugsstaats durchgeführten Besteuerungsverfahrens ankommt. Ist es zu einer solchen Berücksichtigung nicht gekommen, insbesondere weil der Zuzugsstaat den Veräußerungsvorgang generell oder im Einzelfall nicht besteuert oder bei der Besteuerung auf die historischen Anschaffungskosten und nicht auf den Wert zurückgreift, den der Wegzugsstaat im Rahmen der Wegzugsbesteuerung angesetzt hat (vgl. Art. 13 Abs. 6 des DBA Österreich), ist § 6 Abs. 6 Satz 1 AStG nicht zu entnehmen, dass dessen Anwendung von der Abgabe einer Steuererklärung im Ausland abhängt; der Steuerpflichtige muss auch nicht in anderer Weise darauf hinwirken, dass die Behörden des Zuzugsstaats über die Berücksichtigung der Wertminderung eine (positive oder negative) Entscheidung treffen. Die Nichtberücksichtigung einer Wertminderung im Zuzugsstaat durch das Unterlassen der Abgabe einer vom Zuzugsstaat nicht geforderten Steuererklärung könne auch nicht mit der Ausübung eines Wahlrechts gleichgesetzt werden.

Der Steuerpflichtige, so der BFH abschließend, trage auch nicht die Feststellungslast für die Nichtberücksichtigung der Wertminderung im Zuzugsstaat. Eine "Erklärungspflicht" als Voraussetzung kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass den Steuerpflichtigen die Feststellungslast für die Nichtberücksichtigung der Wertminderung im Zuzugsstaat träfe. Wäre der Steuerpflichtige nachweispflichtig und feststellungsbelastet, käme dies einem faktischen Erklärungszwang gleich.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 26. Juli 2023 (I R 39/20) – als NV-Entscheidung veröffentlicht am 7. November 2023.

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