Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen und Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Säumniszuschlags
In einem weiteren Urteil hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass gegen die gesetzliche Höhe des Säumniszuschlags auch für Zeiträume nach dem 31.12.2018 keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Des Weiteren sei das Finanzamt berechtigt, Vorauszahlungen über den laufenden Veranlagungszeitraum hinaus festzusetzen.
Hintergrund
In einem jüngsten Fall hatten die Steuergerichte die Frage zu beantworten, ob die gegen die Höhe der Zinsen gem. § 238 Abgabenordnung (AO) erhobenen verfassungsrechtlichen Zweifel auch auf die Höhe der Säumniszuschläge nach § 240 AO übertragen werden können. Bereits in einem Beschluss vom 13. September 2023, XI B 38/22 (AdV) hatte der BFH die Verfassungsmäßigkeit u. a. auch für die Zeiträume ab 1. Januar 2019 bestätigt (siehe Blogbeitrag vom 16. Januar 2024).
Im hier aktuellen Fall hatte das Finanzamt unter dem 14.10.2019 einen Abrechnungsbescheid über Säumniszuschläge zur Einkommensteuer-Vorauszahlung 1. Quartal 2019 erlassen. Die Kläger monierten, der fragliche Bescheid vom Mai 2018 könne lediglich Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer des Jahres 2018 festgesetzt haben. Denn § 37 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lasse den Erlass eines Vorauszahlungsbescheids jeweils nur für das laufende Jahr zu. Die Zinshöhe in § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO von 6 % pro anno sei - bezogen auf die üblichen Marktzinsen - völlig realitätsfern bemessen; dies gelte für die Höäumniszuschläge von 12 % pro anno - auch unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung als "Druckmittel" - in gleicher Weise. Das Finanzgericht hatte die Klage abgewiesen und die von den Klägern geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Höhe der Säumniszuschläge zurückgewiesen.
Entscheidung des BFH
Der BFH hält die Entscheidung des Finanzgerichts für zutreffend und hat die Revision der Kläger zurückgewiesen. Nach § 37 EStG würden die festgesetzten Vorauszahlungen auch für alle künftigen Veranlagungszeiträume gelten, solange sie nicht angepasst würden. Aus dem Gesetz ergebe sich nicht, dass Vorauszahlungen zwingend jährlich mittels eines eigenständigen Bescheids anzupassen seien.
Entgegen der Auffassung der Kläger dürfen Vorauszahlungsbescheide nicht nur für das laufende Steuerjahr, sondern auch für Folgejahre erlassen werden.
Der Gesetzgeber hat sich bewusst für ein Vorauszahlungssystem entschieden, das aus Vereinfachungsgründen ohne unterjährige Ermittlungen des Einkommens auskommt. Das geltende Vorauszahlungssystem ist nicht verfassungswidrig. Es greift weder unverhältnismäßig in grundrechtlich geschützte Positionen ein noch verstößt es gegen das Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelungen in § 37 EStG ergibt sich nicht, dass die durch einen Bescheid festzusetzenden Vorauszahlungen allein ein einziges Kalenderjahr betreffen dürften.
Gegen die Höhe der Säumniszuschläge bestehen ebenfalls für Zeiträume ab 2019 und auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Insbesondere lassen sich weder die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 herausgearbeiteten Grundsätze, nach denen die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen von 0,5 % pro Monat für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist, auf den Säumniszuschlag übertragen, noch verstößt die Höhe des Säumniszuschlags gegen das Übermaßverbot und verletzt daher auch nicht das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG. Insofern verweist der BFH auf seine Rechtsprechung und nimmt darauf Bezug. Zwar betreffen die Entscheidungen des VII. Senats Zeiträume vor dem 01.01.2019. Die tragenden Gründe der vom VII. Senat vorgenommenen verfassungsrechtlichen Prüfung gelten aber gleichermaßen für Zeiträume nach dem 31.12.2018
Fundstelle
BFH, Urteil vom 23. August 2023, X R 30/21 – veröffentlicht am 11. Januar 2024.