EuGH: Kein erweiterter Zinszahlungszeitraum bei Mehrwertsteuererstattung und Berechnungsfehlern des Steuerpflichtigen

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in einem niederländischen Fall besteht keine Verpflichtung, einem Steuerpflichtigen aufgrund der Erstattung von Mehrwertsteuer Zinsen bereits ab dem der Zahlung der Mehrwertsteuer folgenden Tag zu zahlen, wenn die Erstattung zum Teil auf Fehler des Steuerpflichtigen beim Vorsteuerabzug und zum Teil auf rückwirkende Änderungen der vom Steuerpflichtigen festgelegten Regeln für die Berechnung der abzugsfähigen Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit allgemeinen Kosten zurückzuführen ist. Ein Verstoß gegen Unionsrecht, der eine solche Verpflichtung begründet, liege in diesem Fall nicht vor.

Sachverhalt (verkürzt)

Die Gemeinde Dinkelland übt sowohl nicht wirtschaftliche Tätigkeiten aus, insbesondere Handlungen, die sie in ihrer Funktion als Organ der öffentlichen Verwaltung vornimmt, als auch wirtschaftliche Tätigkeiten, die entweder der Mehrwertsteuer unterliegen oder von der Steuer befreit sein können. Berichtigungen der fehlerhaften Buchführung der Gemeinde führten zu einer Neuberechnung der geschuldeten Mehrwertsteuer und der abzugsfähigen Vorsteuer für die Jahre 2012 bis 2016. Auf dieser Grundlage wurden der Gemeinde ein Teil der für diese Jahre entrichteten Mehrwertsteuer erstattet, zuzüglich Zinsen für den Zeitraum, der acht Wochen nach Eingang des Erstattungsantrags begann und 14 Tage nach Bekanntgabe des Erstattungsbescheids endete. Die Gemeinde beantragte erfolglos die Zahlung von Zinsen auf den erstatteten Betrag bereits ab dem Tag der Zahlung der Mehrwertsteuer.

Im Fokus des vorlegenden Gerichts stand u. a. das Urteil des EuGH vom 18. April 2013, Irimie (C565/11), wonach bei Erstattung einer unionsrechtswidrig erhobenen Steuer an den Steuerpflichtigen Zinsen ab dem auf die Entrichtung dieser Steuer folgenden Tag zu zahlen seien. Das vorlegende Gericht fragte den EuGH, ob der im vorliegenden Fall erstattete Betrag unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurde.

Entscheidung des EuGH

Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass keine Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen an einen Steuerpflichtigen ab dem Zeitpunkt der Zahlung eines später von der Steuerverwaltung erstatteten Mehrwertsteuerbetrags besteht, wenn diese Erstattung zum Teil auf der Feststellung beruht, dass der Steuerpflichtige infolge von Fehlern in seiner Buchführung sein Recht auf Vorsteuerabzug für die betreffenden Jahre nicht vollständig ausgeübt hat, und zum Teil auf einer rückwirkenden Änderung der Modalitäten für die Berechnung der abzugsfähigen Mehrwertsteuer auf die Gemeinkosten des Steuerpflichtigen, sofern diese Modalitäten unter der alleinigen Verantwortung des Steuerpflichtigen festgelegt werden.

Ein Mehrwertsteuerbetrag, der aufgrund der rückwirkenden Änderung der Modalitäten für die Berechnung der abzugsfähigen Vorsteuer auf die Gemeinkosten eines Steuerpflichtigen erstattet wird, kann nur dann als „unter Verstoß gegen das Unionsrecht“ angesehen werden, wenn die ursprünglichen Modalitäten dieser Berechnung, die der Erhebung dieses Betrags zugrunde lagen, aufgrund der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften oder einer Anforderung der Steuerverwaltung mit dem Unionsrecht unvereinbar sind.

Für den EuGH ergibt sich vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen, dass der ursprünglich von der Gemeinde Dinkelland für die Jahre 2012 bis 2016 verwendete Aufteilungsschlüssel unter der alleinigen Verantwortung der Gemeinde Dinkelland festgelegt wurde. Folglich stellt der auf der Grundlage dieses Aufteilungsschlüssels berechnete Betrag der abzugsfähigen Mehrwertsteuer keinen Betrag dar, der „unter Verstoß gegen das Unionsrecht“ im erhoben wurde (Rn, 30 – 33 und Rn. 39 des Urteils mit weiteren Angaben zur Rechtsprechung).

Der EuGH weist noch darauf hin, dass im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wie vorliegend, eine Frist zur Zahlung von Zinsen von acht Wochen für die Bearbeitung eines Antrags auf Mehrwertsteuererstattung durch die Steuerverwaltung, einschließlich der tatsächlichen Erstattungsmaßnahmen nicht unangemessen erscheint.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 22. Februar 2024 (C-674/22), Gemeente Dinkelland

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