Anscheinsbeweis spricht bei Alleingesellschafter-Geschäftsführer trotz Nutzungsverbots für Privatnutzung
Das Finanzgericht Münster hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass bei einem Alleingesellschafter-Geschäftsführer selbst dann ein zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führender Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines von der GmbH überlassenen PKW vorliegen kann, wenn im Anstellungsvertrag ein Privatnutzungsverbot vereinbart wurde. Die verdeckte Gewinnausschüttung ist auf Ebene der Gesellschaft jedoch nicht nach der 1%-Regelung, sondern nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu bewerten.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH. Im Anstellungsvertrag vereinbarte sie mit ihrem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einen Anspruch auf die Gestellung eines PKW der gehobenen Mittelklasse, den er aber nicht privat nutzen dürfe. Tatsächlich stellte die GmbH ihrem Geschäftsführer im Streitjahr 2016 hintereinander zwei solcher Fahrzeuge zur Verfügung. In dessen Privatvermögen befand sich zunächst ebenfalls ein Mittelklassefahrzeug, das im Laufe des Streitjahres durch ein auf dessen Ehefrau angemeldetes anderes Mittelklassefahrzeug ersetzt wurde.
Die GmbH machte für das von ihr neu angeschaffte Fahrzeug eine Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 und 6 EStG geltend. Eine private Nutzung der beiden betrieblichen Fahrzeuge erfasste sie nicht.
Das Finanzamt setzte für das neu angeschaffte Fahrzeug im Hinblick auf die Privatnutzung durch den Geschäftsführer eine verdeckte Gewinnausschüttung an, die sie nach der 1%-Regelung mit 4.000 € berechnete. Da keine (fast) ausschließlich betriebliche Nutzung dieses Fahrzeugs vorliege, erkannte das Finanzamt die Sonderabschreibung nach § 7g EStG nicht an.
Zur Begründung ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage führte die Klägerin aus, dass ihr Geschäftsführer das Fahrzeug nicht privat genutzt habe. Hierzu legte sie eine weitere Vereinbarung vor, wonach der Geschäftsführer verpflichtet sei, das Fahrzeug nach Geschäftsschluss auf dem Firmengelände abzustellen. Eine „Dienstwagenbesteuerung“ komme nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur Nutzung überlasse. Der Anscheinsbeweis könne eine Überlassung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs selbst dann nicht ersetzen, wenn das Nutzungsverbot nicht überwacht werde.
Richterliche Entscheidung
Das Finanzgericht Münster hat die Klage abgewiesen.
Im Streitfall spreche der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des Fahrzeugs, welche zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führe. Der Senat ist insoweit der Rechtsprechung des für Körperschaftsteuerfragen zuständigen I. Senats des Bundesfinanzhofs gefolgt. Danach spreche die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass ein einem Gesellschafter-Geschäftsführer von der Gesellschaft zur Nutzung überlassenes betriebliches Fahrzeug auch privat genutzt werde. Dies gelte auch bei einem Privatnutzungsverbot, wenn keine organisatorischen Maßnahmen getroffen würden, die eine private Nutzung ausschließen. Der Rechtsprechung des für Lohnsteuerfragen zuständigen VI. Senats des Bundesfinanzhofs, wonach keine zu Arbeitslohn führende Privatnutzung eines Fahrzeugs anzunehmen sei, wenn diese vertraglich untersagt sei, ist das Finanzgericht Münster nicht gefolgt.
Für den Anscheinsbeweis spreche, dass ein Privatnutzungsverbot wegen des fehlenden Interessengegensatzes keine gesellschaftsrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehe. Es könne daher nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass der Geschäftsführer sich tatsächlich an das Verbot halte.
Die Klägerin habe den Anscheinsbeweis nicht entkräftet. Sie habe es versäumt, Beweisvorsorge etwa durch Führung eines Fahrtenbuches oder sonstige Aufzeichnungen zu treffen. Die im Privatvermögen zeitlich hintereinander gehaltenen Fahrzeuge seien aufgrund der geringeren Motorisierung und des niedrigeren Wertes in Status und Nutzungswert nicht mit den betrieblichen Fahrzeugen vergleichbar. Zudem habe auch die Ehefrau des Geschäftsführers die Privatfahrzeuge - etwa für Einkaufsfahrten - genutzt. Zur tatsächlichen Durchführung der Vereinbarung, wonach das betriebliche Fahrzeug nach Geschäftsschluss auf dem Firmengelände abzustellen sei, habe die Klägerin keine Belege vorgelegt.
Da der aufgrund des Anscheinsbeweises anzunehmenden Privatnutzung keine Überlassungsvereinbarung zugrunde lag, führe diese nicht zu Arbeitslohn, sondern zu einer verdeckten Gewinnausschüttung.
Diese sei allerdings - entgegen der Auffassung des Finanzamts - nicht anhand der 1%-Regelung zu bewerten, da dieser lohnsteuerrechtliche Wert (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG) für die Bewertung einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht gelte. Der Wert sei vielmehr nach Fremdvergleichsmaßstäben zu schätzen. Bei der Berechnung hat der Senat einen Gewinnaufschlag von 5 % auf die Fahrzeugkosten vorgenommen und die Privatnutzung mit 50 % angesetzt. Da der danach ermittelte gemeine Wert (netto) von 4.771 € die vom Finanzamt angesetzten 4.000 € überschreite, greife das Verböserungsverbot, sodass es beim bisherigen Ansatz bleibe. Vor diesem Hintergrund könne offenbleiben, ob noch Umsatzsteuerbeträge hinzuzurechnen seien.
Der Senat hat ebenfalls die Sonderabschreibung nach § 7g EStG für das neu angeschaffte Fahrzeug versagt, da dieses nicht zu mindestens 90 % betrieblich genutzt worden sei. Die Klägerin habe ihrem Geschäftsführer das Fahrzeug gerade nicht betrieblich im Rahmen des Anstellungsvertrags überlassen, sondern im Rahmen einer verdeckten Gewinnausschüttung. Dies stelle keine betriebliche Nutzung im Sinne von § 7g EStG dar.
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 28. April 2023 (10 K 1193/20 K,G,F), siehe den Newsletter September 2023 des Finanzgerichts; die Revision ist beim BFH unter dem Az. I R 33/23 anhängig.