Lohnsteuerpauschalierung bei Betriebsveranstaltungen, die nicht allen Betriebsangehörigen offenstehen

Nach der ab dem Veranlagungszeitraum 2015 geltenden Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann eine Betriebsveranstaltung auch dann vorliegen, wenn sie nicht allen Angehörigen eines Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht. Das Tatbestandsmerkmal Betriebsveranstaltung in § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG entspricht der Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin veranstaltete im Jahr 2015 in eigenen Räumlichkeiten eine Weihnachtsfeier, zu der nur die Vorstandsmitglieder eingeladen waren. Die von ihr hierfür aufgewendeten Kosten betrugen insgesamt 8.034 €.

Darüber hinaus richtete die Klägerin im selben Jahr eine Weihnachtsfeier für Mitarbeiter aus, die zum sogenannten oberen Führungskreis beziehungsweise Konzernführungskreis gehörten. Dabei handelte es sich um Mitarbeiter, die eine bestimmte Karrierestufe erreicht hatten, aber keinen eigenständigen Betriebsteil bildeten. Für diese Veranstaltung wendete die Klägerin insgesamt 168.439 € auf.

Die ihren Vorstandsmitgliedern und dem Führungskreis mit den jeweiligen Weihnachtsfeiern zugewandten Vorteile unterwarf die Klägerin nicht dem Lohnsteuerabzug.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Klägerin habe die Lohnversteuerung zu Unrecht unterlassen. Die beantragte Lohnsteuerpauschalierung könne nicht gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erfolgen. Denn der Begriff der Betriebsveranstaltung setze ungeachtet der Einfügung einer Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG mit Wirkung vom 01.01.2015 weiterhin voraus, dass die Teilnahme an der Veranstaltung allen Arbeitnehmern des Betriebs oder des Betriebsteils offenstehe. Entsprechend dieser Rechtsauffassung erließ das Finanzamt einen Nachforderungsbescheid.

Die Klage vor dem Finanzgericht Köln hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.

Das Finanzgericht hat zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin den Arbeitslohn, den sie ihren Vorstandsmitgliedern und den Führungskräften mit der Teilnahme an den Weihnachtsfeiern als Sachbezug zugewandt hat, nicht gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG mit einem Pauschsteuersatz von 25 % versteuern kann.

Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz handelt es sich bei den Weihnachtsfeiern des Vorstands und der Führungskräfte jedoch um Betriebsveranstaltungen im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG. Dass die Veranstaltungen nicht allen Betriebsangehörigen offenstanden, steht dem nicht entgegen.

Betriebsveranstaltungen sind nach der mit Wirkung zum 01.01.2015 durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften eingefügten Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter.

Bis zu der gesetzlichen Neuregelung hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung unter den Begriff der Betriebsveranstaltung nur Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter subsumiert, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offenstand (z.B. BFH, Urteile vom 16.05.2013, VI R 94/10, BStBl II 2015, 186, Rz 18 und vom 16.05.2013, VI R 7/11, BStBl II 2015, 189, Rz 19).

Das bisherige Begriffsverständnis des Senats greift § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG jedoch nur teilweise auf. So hat das auf der Rechtsprechung des Senats gründende Tatbestandsmerkmal des Offenstehens in der gesetzlichen Legaldefinition der Betriebsveranstaltung keinen Niederschlag gefunden. Diese Voraussetzung findet sich (nunmehr) vielmehr in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG und steht damit nur noch in Verbindung mit der Gewährung des Freibetrags in Höhe von 110 €.

Unter Heranziehung des Wortlauts des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG setzt eine Betriebsveranstaltung ab dem Veranlagungszeitraum 2015 mithin nur noch eine Veranstaltung auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter voraus. Eine Veranstaltung, an der ‑wie im Streitfall an den Weihnachtsfeiern‑ ausschließlich Beschäftigte des Betriebs und deren Begleitpersonen teilnehmen können, ist vom Wortsinn her eine solche Betriebsveranstaltung, auch wenn diese Veranstaltung nicht allen Angehörigen eines Betriebs offensteht.

Davon geht offensichtlich auch die Finanzverwaltung aus und sieht Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter ‑‑wie beispielsweise Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern und Jubiläumsfeiern‑‑ als Betriebsveranstaltungen an, wenn der Teilnehmerkreis sich überwiegend aus Betriebsangehörigen, deren Begleitpersonen und gegebenenfalls Leiharbeitnehmern oder Arbeitnehmern anderer Unternehmen im Konzernverbund zusammensetzt. Ein Offenstehen der Veranstaltung für alle Beschäftigten wird anders als in den bis zum Veranlagungszeitraum 2014 geltenden Lohnsteuer-Richtlinien R 19.5 Abs. 2 Satz 1 nicht mehr gefordert (vgl. BMF, Schreiben vom 14.10.2015, BStBl I 2015, 832, unter 1.).

Die Gesetzessystematik bestätigt die Wortlautauslegung. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG nimmt das früher von der Rechtsprechung für die Definition der Betriebsveranstaltung herangezogene Tatbestandsmerkmal des Offenstehens auf, stellt es jedoch in einen anderen Kontext. Nunmehr ist das Offenstehen für alle Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils ausschließlich Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung des Freibetrags von 110 € und kann daher nicht als (ungeschriebenes) einschränkendes Kriterium des Betriebsveranstaltungsbegriffs im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG herangezogen werden. Die historische Auslegung steht dem nicht entgegen.

Schließlich gebieten auch Sinn und Zweck der Vorschrift kein vom Wortlaut abweichendes Verständnis des Begriffs der Betriebsveranstaltung. Die Neuregelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG dient der Steuervereinfachung und insbesondere auch der Überschreibung der früheren Senatsrechtsprechung zur Bewertung der Leistungen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG (hierzu vgl. BFH,Urteile vom 16.05.2013, VI R 94/10, BStBl II 2015, 186, Rz 19 ff. und vom 16.05.2013, VI R 7/11, BStBl II 2015, 189, Rz 21 ff.), nach der Gemeinkosten insbesondere für den äußeren Rahmen einer Veranstaltung ebenso wenig zu einem geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers führten wie Zuwendungen an dessen Begleitpersonen.

Das Tatbestandsmerkmal der Betriebsveranstaltung in § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ist entsprechend der Legaldefinition des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG auszulegen. Der Zweck des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG erfordert vorliegend keine andere, normspezifische Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Betriebsveranstaltung.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 27. März 2024 (VI R 5/22), veröffentlicht am 10. Mai 2024.

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