Bindungswirkung des § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 2006

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass nach § 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG 2002 (jetzt § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 2006) negative Anschaffungskosten durch Entnahmen im Rückwirkungszeitraum entstehen können. Die Auffassung der Verwaltung, dass ein Ansatz von Zwischenwerten zu erfolgen hat, soweit das eingebrachte Betriebsvermögen aufgrund von Entnahmen im Rückwirkungszeitraum negativ wird (vgl. Rn. 20.19 Abs. 3 Satz 2 Umwandlungssteuererlass v. 11.11.2011 („UmwStE 2011“), hat das Finanzgericht unter Anknüpfung an BFH-Rechtsprechung (I R 12/16) u.a. mangels Vorhandensein einer gesetzlichen Grundlage verworfen.

Sachverhalt

Die Klägerin hat ihr Einzelunternehmen in eine bereits bestehende GmbH eingebracht. Die Einbringung durch notarielle Urkunde v. 30.8.2007 mit Wirkung v. 1.1.2007 ist unstreitig als Einbringung i.S.d. § 20 UmwStG mit steuerlicher Rückwirkung erfolgt. Die Klägerin hat im Rückwirkungszeitraum v. 1.1.2007 bis 10.9.2007 Entnahmen aus dem Vermögen des Einzelunternehmens getätigt, wodurch ein negativer Wert des eingebrachten Vermögens entstanden ist.

Streitig war in materiell-rechtlicher Hinsicht u.a., ob infolge der im Rückwirkungszeitraum getätigten Entnahmen ein Einbringungsgewinn aufgrund der Aufstockung der eingebrachten Wirtschaftsgüter zu versteuern sei.

Das beklagte Finanzamt berief sich diesbezüglich auf Rn. 20.19 UmwStE 2011, wonach gem. § 20 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG ein Ansatz von Zwischenwerten zu erfolgen hat, soweit das eingebrachte Betriebsvermögen durch Entnahmen im Rückwirkungszeitraum ohne Aufstockung negativ wird.

Richterliche Entscheidung

Das Finanzgericht widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung und folgt der Rechtsauffassung des BFH zum UmwStG 2002 (I R 12/16).

Der BFH hatte entschieden, dass der im UmwStE 2011 aufgeführten Methode der Buchwertaufstockung der eindeutige Wortlaut des 20 Abs. 7 Satz 3 UmwStG 2002 (jetzt § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 2006) entgegenstünde. Demnach handle es sich nach dem Wortlaut der Norm lediglich um eine Korrektur der sich nach § 20 Abs. 4 UmwStG 2002 (jetzt § 20 Abs. 3 UmwStG 2006) ergebenden Anteilsanschaffungskosten, nicht hingegen um die Vorgabe eines "Mindestansatzes" des eingebrachten Betriebsvermögens. Dem Normtext sei insbesondere nicht zu entnehmen, dass das Ergebnis der vorgenannten Rechenoperation nicht ggf. negativ sein könnte (Rn. 44). Das Finanzgericht überträgt diese Aussagen des BFH auf das UmwStG 2006.

Daneben hat das Finanzgericht mit Blick auf die Bestimmung des steuerlichen Übertragungsstichtags dahingehend Zweifel geäußert, dass wenn der Einbringungsbeschluss (hier: datierend vom 30.8.2007) kein konkretes Datum, sondern lediglich die Klausel enthält, dass "im Übrigen ... die Übernahme des Einzelunternehmens auf Grundlage der Schlussbilanz vom 31.12.2006" erfolgt, diese Formulierung – anders als das beklagte Finanzamt annimmt – nicht ohne Weiteres den Rückschluss auf einen steuerlichen Übertragungsstichtag "31.12.2006" zulässt (Rn. 42).

Hinweis

Wie das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte sich das Finanzgericht Münster jüngst in zwei (mittlerweile rechtskräftigen) Entscheidungen der o.g. Auffassung des BFH I R 12/16 angeschlossen und die Aussagen in Rn. 20.19 UmwStE 2011 in einem Streitfall zum aktuellen UmwStG verworfen (siehe unseren Blogbeitrag).

Fundstelle

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. September 2021 (13 K 13042/17); die Revision ist beim BFH unter dem Az. X R 30/23 (ursprünglich I R 26/23) anhängig.

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