Mittelbare Anteilsvereinigung bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft ("RETT-Blocker")

Bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, ist als Anteil im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes ‑wie bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft‑ die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen maßgebend (Anschluss an Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27.09.2017, II R 41/15). Dies hat der BFH in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts, war als Kommanditistin zu 100 % am Gesellschaftsvermögen der G-KG beteiligt. Komplementärin der G-KG war ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen eine GmbH.

Mit privatschriftlichen Anteilskaufverträgen vom 09.02.2012 erwarben die Klägerin 94 % und die G-KG 6 % der Anteile der in der Bundesrepublik Deutschland grundbesitzenden GL, ebenfalls eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts. Der Vorgang wurde dem Finanzamt am 04.04.2019 angezeigt.

Das Finanzamt ging davon aus, dass der Rechtsvorgang vom 09.02.2012 den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes in der auf den Streitzeitraum anwendbaren Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 ‑StEntlG 1999/2000/2002‑ (BGBl I 1999,402) ‑GrEStG‑ erfüllte und setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest.

Die Klägerin beruft sich bei ihrer Auffassung, dass der Vorgang nicht der Grunderwerbsteuer unterliege, u.a. die zum Zeitpunkt der Anteilsübertragungen am 09.02.2012 in der Rechtsprechung und den Erlassen der Finanzverwaltung gesicherte Auslegung des Begriffs des Anteils im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG für die Ebene der zwischengeschalteten Personengesellschaft. Seit dem Urteil des BFH vom 08.08.2001, II R 66/98 (BStBl II 2002, 156) sei für die Auslegung des Anteilsbegriffs bei zwischengeschalteten Personengesellschaften auf die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen abgestellt worden.

Die Klage vor dem Hessischen Finanzgericht hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 27.09.2017, II R 41/15 (BStBl II 2018, 667) entschieden hat, kann auch der Anteilserwerb bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft zu einer mittelbaren Anteilsvereinigung im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG führen, wenn dem Erwerber nach dem Anteilserwerb mindestens 95 % der Beteiligung am Gesellschaftskapital der Personengesellschaft zuzurechnen sind.

Dabei ist bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, als Anteil im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ‑wie bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft‑ die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen maßgebend. Es kommt entscheidend auf die rechtlich begründeten Einflussmöglichkeiten auf die grundbesitzende Gesellschaft an (BFH-Urteil vom 27.05.2020, II R 45/17, BStBl II 2021, 315, Rz 12 ff.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen wurde durch die Anteilskaufverträge vom 09.02.2012 der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Der Klägerin waren nach den Anteilskaufverträgen 94 % der Anteile an der GL unmittelbar und die restlichen 6 % der Anteile mittelbar über ihre 100%ige Beteiligung an der G-KG zuzurechnen. Es wurden hierdurch erstmals alle Anteile der grundbesitzenden GL in der Hand der Klägerin vereinigt. Die Beteiligung der Komplementär-GmbH steht dem nicht entgegen, denn diese war nicht am Vermögen der G-KG beteiligt.

Die rückwirkende Anwendung des BFH-Urteils vom 27.09.2017, II R 41/15 (BStBl II 2018, 667) auf einen Anteilserwerb im Jahr 2012 verstößt nicht gegen Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes, da kein schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen in die frühere Rechtslage bestehen konnte.

Die grunderwerbsteuerrechtlichen Anzeigepflichten sind objektiver Natur und bestehen auch dann, wenn durch die Rechtsprechung ein bereits erfolgter Rechtsvorgang als steuerbar angesehen wird, bei dem der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs subjektiv nicht wusste, dass eine Anzeige zu erstatten ist.

Weist das Finanzgericht einen Billigkeitsantrag auf Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf 0 € mangels Ermessensreduzierung auf Null ab und verpflichtet es die Finanzbehörde, den Billigkeitsantrag unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts neu zu bescheiden, ist der Steuerpflichtige insoweit unterlegen und kann im Revisionsverfahren seinen weitergehenden Antrag auf Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen auf 0 € weiter verfolgen.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 28. Februar 2024 (II R 7/22), veröffentlicht am 27. Juni 2024.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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