EuGH: Innenumsätze bei umsatzsteuerlicher Organschaft nicht steuerbar
In seinem heutigen Urteil hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Innenumsätze im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht der Mehrwertsteuer unterliegen. Damit hat das Gericht das Institut der umsatzsteuerlichen Organschaft hinsichtlich der Nichtsteuerbarkeit von Innenumsätzen nach bisherigem deutschem Verständnis bestätigt.
Hintergrund
Mit einem neuerlichen Vorabentscheidungsersuchen in Sachen Finanzamt T hatte der BFH die für ihn weiterhin zweifelhaft gebliebene Frage an den EuGH herangetragen, ob im Hinblick auf die umsatzsteuerliche Organschaft an der bisherigen Annahme der Nichtsteuerbarkeit sogenannter Innenumsätze weiter festzuhalten ist.
Im Januar 2022 hatte Generalanwältin Medina im Zuge des ersten Vorlagefalles (Rechtssache C-269/20 Finanzamt T) u. a. die Auffassung geäußert, dass eine Mehrwertsteuergruppe ("umsatzsteuerliche Organschaft") sich im Wesentlichen auf die Abgabe einer gemeinsamen Umsatzsteuererklärung beschränke und sog. Innenleistungen gegebenenfalls der Umsatzsteuer unterliegen "könnten". Diese Auffassung hatte der EuGH in seinem später hierzu folgenden Urteil zwar nicht explizit bestätigt, aber auch nicht ausgeschlossen.
Generalanwalt Athanasios Rantos hatte in seinen Schlussanträgen vom 16. Mai 2024 zum aktuellen Verfahren in Sachen Finanzamt T II jedoch festgestellt, dass entgeltliche Leistungen zwischen Personen einer Mehrwertsteuergruppe nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, und zwar selbst dann nicht, wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (mehr hierzu in unserem Blogbeitrag vom 16. Mai 2024).
Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat sich der Sichtweise des Generalanwalts angeschossen und entschieden, dass gegen Entgelt erbrachte Leistungen zwischen Personen, die ein und derselben Mehrwertsteuergruppe angehören, die aus rechtlich selbständigen, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbundenen Personen besteht und von einem Mitgliedstaat als einzige Steuerpflichtige bestimmt wird, selbst dann nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn die vom Empfänger dieser Leistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf.
Die nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie vorgeschriebene Gleichstellung einer Mehrwertsteuergruppe mit einem einzigen Steuerpflichtigen schließe es aus, dass die Mitglieder der Mehrwertsteuergruppe weiterhin getrennt Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihrer Gruppe weiter als Steuerpflichtige angesehen werden, da nur der einzige Steuerpflichtige befugt ist, diese Erklärungen (unter Zuteilung nur einer Mehrwertsteuernummer) abzugeben.
Nach Dafürhalten des EuGH folge daraus, dass ein Leistender, der einer Mehrwertsteuergruppe angehört, nicht einzeln als von dieser Gruppe getrennter Steuerpflichtiger betrachtet werden kann, so dass nicht bestimmt zu werden braucht, ob er die Voraussetzung der Selbständigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie erfüllt, wenn er für eine andere Einheit dieser Gruppe gegen Entgelt eine Leistung erbringt. Eine solche Leistung könne folglich nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen.
Was die Frage der „Gefahr von Steuerverlusten“ betrifft, weist der EuGH darauf hin, dass bei einer Mehrwertsteuergruppe das Recht auf Abzug der geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer der Gruppe selbst und nicht deren Mitgliedern zusteht. Die vom BFH hierzu angeführten Urteile vom 1. Dezember 2022, Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie (C‑141/20) und Finanzamt T (C<‑269/20) zur der darin vom EuGH angesprochenen Notwendigkeit, eine Gefahr von Steuerverlusten zu verhindern, bezog sich - so der EuGH - auf eine andere als die im Rahmen der vorliegenden Rechtssache geprüfte Frage (hierzu: Rz. 43 – 46 im Urteil).
Fundstelle
EuGH, Urteil vom 11. Juli 2024 in der Rechtssache C‑184/23 Finanzamt T II.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.