Überentnahmen i.S.v. § 4 Abs. 4a EStG in einer doppelstöckigen Personengesellschaftsstruktur

Das Finanzgericht Münster hat sich in einem aktuellen Urteil der Rechtsauffassung des BFH (Urteil IV R 8/21 vom 27.9.2023) angeschlossen, wonach in Fällen mit doppelstöckigen Personengesellschaften der Gewinn der Oberpersonengesellschaft im Sinne des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG betriebsbezogen zu ermitteln ist – mit der Folge, dass der Anteil der Oberpersonengesellschaft am Gewinn der Unterpersonengesellschaft außer Betracht zu lassen ist und nicht zum Gewinn der Oberpersonengesellschaft i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG rechnet.

Sachverhalt

Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die im Streitjahr 2001 jeweils zu 100% als Kommanditistin am Kapital von zwei weiteren GmbH & Co. KG (Unterpersonengesellschaften) beteiligt war. Die Klägerin war gewerblich tätig und ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.

Eine der Unterpersonengesellschaften war körperschaftsteuer- und gewerbesteuerrechtliche Organträgerin mehrerer Kapitalgesellschaften. Außerdem war die Klägerin nur gewerbesteuerrechtliche Organträgerin von einer Kapitalgesellschaft.

Nach einer Betriebsprüfung behandelte das Finanzamt einen Teil des Zinsaufwands der Klägerin als nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbar. Es berechnete den Gewinn der Klägerin ohne die Gewinnanteile an den Unterpersonengesellschaften und berief sich hierfür auf Rn. 8 des BMF-Schreibens vom 17.11.2005 (BStBl. I 2005, 1019; ebenso Tz. 8 des BMF-Schreibens vom 2.11.2018, BStBl. I 2018, 1207).

Richterliche Entscheidung

Das Finanzgericht hat die dagegen gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen. Der im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG verwendete Gewinnbegriff sei, so das Gericht, für Zwecke der doppelstöckigen bzw. mehrstöckigen Personengesellschaft dahingehend zu modifizieren, dass die entsprechenden Gewinnanteile der Untergesellschaften keine Berücksichtigung fänden, sondern erst bei Auszahlungen wie Entnahmen oder Einlagen zu behandeln seien. Dies ergebe sich aus der im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG zugrunde zulegenden betriebsbezogenen Betrachtung.

Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4a EStG rechtfertigten keine einschränkende Auslegung. Zwar habe der Gesetzgeber der Rechtsprechung zum Mehrkontenmodell entgegentreten und den Grundsatz der Finanzierungsfreiheit einschränken wollen. Der Unternehmer sollte -ohne nachteilige Folgen für den Schuldzinsenabzug- nicht mehr die vollständigen Betriebseinnahmen, sondern nur noch den im Unternehmen erwirtschafteten Gewinn sowie geleistete Einlagen entnehmen können.

Dazu habe der Gesetzgeber mit § 4 Abs. 4a EStG eine Regelung geschaffen, aufgrund derer die nicht als Betriebsausgaben abziehbaren Zinsaufwendungen in pauschalierter Art und Weise ermittelt werden (Verweis auf BFH vom 7.3.2006, X R 44/04, BStBl. II 2006, 588). Der Anlass der Neuregelung habe in der pauschalierenden Bestimmung des § 4 Abs. 4a EStG keinen (unmittelbaren) Niederschlag gefunden.

Vielmehr sei die Gewinnhinzurechnung in dem einzelnen Betrieb vorzunehmen, für den eine eigenständige Gewinnermittlung durchgeführt wird (BFH vom 24.11.2016, BStBl II 2017, 268, m.w.N.). Dem entspreche die betriebsbezogene Auslegung. Hingegen würde es der vom Gesetzgeber angestrebten Vereinfachung widersprechen, wenn in Konzernsachverhalten oder bei doppelstöckigen Personengesellschaftsstrukturen eine betriebsübergreifende Betrachtung anzustellen.

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, über die Einlegung ist noch nichts bekannt.

Hinweis:

Zum BFH-Urteil IV R 8/21 siehe unseren Blogbeitrag.

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Urteil vom 2. Juli 2024 (6 K 1425/21 F); die Revision wurde zugelassen, über die Einlegung ist noch nichts bekannt.

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