EuGH: Vermeidung des Zolls durch Verlegung der Produktion und Bestimmung des nicht präferenziellen Ursprungs der Waren
Im vorliegenden Rechtsmittelverfahren hatte der EuGH zu klären, ob die Kommission die Anerkennung einer Verlegung der Produktion allein deshalb ablehnen darf, weil diese Verlegung das Ziel verfolgt, Zöllen zu entgehen, die im Zusammenhang mit einem zwischenstaatlichen Handelsstreit verhängt werden. Das Vorbringen der Kläger, die Verlegung des Ursprungs der Waren (hier: Harley Davidson Motorräder) anzuerkennen, wurde vom Gericht der Europäischen Union (EuG) abgewiesen. Der EuGH als letztinstanzliches Gericht wies die Klage ebenfalls zurück.
Die Vorgeschichte des Rechtsmittels in Kürze: Die USA führten 2018 zusätzliche Zölle auf die Einfuhren von Stahl und Aluminium aus der EU ein. Daraufhin führte die EU mit der Durchführungsverordnung (EU) 2018/886 vom 20.06.2018 ebenfalls hohe Zölle auf den Import bestimmter Waren aus den USA ein, unter anderem auf von Harley-Davidson hergestellte Motorräder. Letztendlich entschied sich Harley-Davidson dafür, künftig die Motorräder in der bereits bestehenden Fabrik in Thailand zu produzieren. Die EU-Kommission war hingegen der Auffassung, dass eine Umgehung vorliege und der Ursprung weiterhin in den USA liege. Harley Davidson klagte gegen diese Entscheidung der Kommission. Das EuG wies die Klage mit Urteil vom 1. März 2023 erstinstanzlich ab, der Beschluss der Kommission sei rechtmäßig. Die in Thailand vorgenommene Be- oder Verarbeitung sei nach Art. 33 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/2446 wirtschaftlich nicht gerechtfertigt.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH entschied, dass die Klage insgesamt zurückzuweisen ist, da keiner der vorgebrachten Rechtsmittelgründe durchgreift.
Die Kläger hatte ihr Rechtsmittel auf drei Gründe gestützt:
Zum ersten Rechtsmittelgrund: Fehlerhafte Auslegung von Art. 33 der Delegierten Verordnung 2015/2446 (RZ. 36 – 81 im Urteil):
Die von den Klägern geltend gemachte Unvereinbarkeit der Auslegung von Art. 33 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/2446 ist für den EuGH als nicht maßgeblich anzusehen. Dieses Vorbringen beruhte nämlich auf der Annahme, dass das EuG das in Art. 33 Abs. 1 enthaltene objektive Kriterium in ein subjektives umgewandelt habe. Diese Annahme trifft aber nicht zu.
Zu dem Vorbringen der Beweismittelverfälschung stellt der EuGH fest, dass die Kläger in Wirklichkeit eine neue Beweiswürdigung fordern, ohne die dem Gericht vorgeworfene Verfälschung hinreichend genau anzugeben oder die Analysefehler darzulegen. Eine solche Beanstandung ist im Stadium der Klage unzulässig.
Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Überschreitung der Grenzen der in Art. 62 des Zollkodex der Union enthaltenen Befugnisübertragung (RZ. 82 – 88)
Dem Vorbringen der Kläger liegt die Annahme zugrunde, das Gericht habe Art. 33 Abs. 1 der Delegierten Verordnung 2015/2446 dahin ausgelegt, dass er ein subjektives Kriterium enthalte. Diese Annahme trifft aber, wie in den Rn. 67 und 68 des Urteils näher dargelegt, nicht zu.
Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen das Recht auf eine „gute Verwaltung“ (RZ. 89 – 114)
Das Vorbringen der Kläger könne nur durchgreifen, wenn nachgewiesen wäre, dass das EuG die Tatsachen verfälscht hat. Die Kläger machen jedoch keine solche Verfälschung geltend, sondern beschränken sich im Wesentlichen darauf, eine neue Tatsachenwürdigung zu verlangen, für die der EuGH im Rahmen der Klage jedoch nicht zuständig ist.
Im Übrigen habe das Gericht, nachdem es eine Verletzung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör festgestellt hatte, rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die tatsächlichen Beweise dafür, dass die Produktionsverlagerung wegen der erwarteten wirtschaftlichen Effizienzgewinne „wirtschaftlich gerechtfertigt“ sei, nicht die Möglichkeit schaffen könnten, dass das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.
Fundstelle
EuGH, Urteil vom 21. November 2024 C-297/23 P - Harley-Davidson Europe und Neovia Logistics Services International/ Kommission.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.