EuGH zum Vortrag eines Vorsteuerüberschusses nach Artikel 183 der Mehrwertsteuerrichtlinie

In einem portugiesischen Vorabentscheidungsersuchen war der EuGH mit der Frage der Frist zur Erstattung oder Vortrags eines Mehrwertsteuerüberschusses befasst, wobei der betreffende Antrag erst nach der Wiederaufnahme der zuvor aufgegebenen wirtschaftlichen Tätigkeit geltend gemacht wurde.

Artikel 183 MwStRL

Übersteigt der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der für einen Steuerzeitraum geschuldeten Mehrwertsteuer, können die Mitgliedstaaten den Überschuss entweder auf den folgenden Zeitraum vortragen lassen oder nach den von ihnen festgelegen Einzelheiten erstatten.

Die Mitgliedstaaten können jedoch festlegen, dass geringfügige Überschüsse weder vorgetragen noch erstattet werden.

Hintergrund

Die Klägerin im Ausgangsverfahren (Modexel) teilte die Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit mit Wirkung vom 28. Februar 2015 mit und gab in ihrer Mehrwertsteuererklärung für das erste Quartal 2015 ein Mehrwertsteuerguthaben an. Im Mai 2016 nahm Modexel ihre wirtschaftliche Tätigkeit wieder auf. In ihrer ersten Mehrwertsteuererklärung nach dieser Wiederaufnahme brachte Modexel dieses Mehrwertsteuerguthaben in Abzug. Die portugiesische Steuerverwaltung verweigerte den Abzug mit der Begründung, dass Modexel innerhalb von zwölf Monaten nach Aufgabe ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit dessen Erstattung hätte beantragen müssen.

Vorlagefragen

Ist der Begriff „folgender Zeitraum“ in Art. 183 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass er sich wörtlich auf den unmittelbar folgenden kalendarischen Zeitraum bezieht?

Falls nein, darf ein Unternehmen, das seine Tätigkeit eingestellt hat und später wiederaufnimmt, wobei zwischen den beiden Zeitpunkten ein Abstand von etwa 15 Monaten liegt, den Betrag, den es bei Beendigung der Tätigkeit als Überschuss vorgetragen hat, in der ersten Erklärung nach Wiederaufnahme der Tätigkeit abziehen?

Entscheidung des EuGH

Artikel 183 Absatz 1 der Richtlinie 2006/112/EG steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die vorsieht, dass ein Steuerpflichtiger, der seine wirtschaftliche Tätigkeit einstellt, einen zum Zeitpunkt der Einstellung seiner Tätigkeit erklärten Mehrwertsteuerüberschuss nicht auf einen späteren Zeitraum vortragen kann und diesen Betrag nur dadurch zurückerhalten kann, dass er innerhalb einer Frist von zwölf Monaten ab dem Zeitpunkt der Einstellung der Tätigkeit die Erstattung dieses Betrags beantragt, sofern die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden.

Was den Begriff „folgender Zeitraum“ in dieser Bestimmung aus der Verwendung dieses Begriffs im Singular angeht, so der EuGH, umfasse dieser Begriff den Steuerzeitraum, der unmittelbar auf den Steuerzeitraum folgt, in dem der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der geschuldeten Mehrwertsteuer übersteigt. Außerdem hänge die Dauer oder die Aufeinanderfolge der Steuerzeiträume nicht davon ab, dass ein Steuerpflichtiger während eines bestimmten Steuerzeitraums oder eines Teils davon eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

Hinsichtlich des Äquivalenzgrundsatzes und dem Effektivitätsgrundsatz ergeben sich für den EuGH keinerlei Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung bzw. der Erstattungsfrist von 12 Monaten hervorrufen könnten.

Eine Ausschlussfrist von zwölf Monaten ab dem Zeitraum, in dem der Mehrwertsteuerüberschuss entstanden ist, wie in der Vorlageentscheidung angegeben, scheint es einem Steuerpflichtigen oder einem früheren Steuerpflichtigen nicht praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, seinen Anspruch auf Erstattung des Mehrwertsteuerüberschusses geltend zu machen.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 5. Dezember 2024 (C680/23) Modexel.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

 

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