Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft
Für die Beurteilung der Frage, ob eine unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 des Grunderwerbsteuergesetzes gilt, weil an ihr mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, ist nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen. Eine zuvor bereits bestehende Beteiligung des neuen Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft ist unerheblich. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine KG. In ihrem Vermögen befand sich Grundbesitz in Y und Z.
Die Beteiligungsverhältnisse an der Klägerin stellten sich bis zum 31.12.2016 wie folgt dar: Als Komplementär ohne Kapitalbeteiligung war unter anderem T beteiligt. Als Kommanditisten hielten R 10 % und die R-GmbH 90 % der Anteile an der Klägerin. Alleingesellschafter der R-GmbH war R. Er hielt die Anteile an der R-GmbH treuhänderisch für die in der Schweiz ansässige L-AG.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13.10.2016 übertrug R mit Wirkung zum 31.12.2016 seine 100%ige Beteiligung an der R-GmbH auf T. T verpflichtete sich, die Treuhänderstellung des R zu übernehmen, sodass im Anschluss T die Anteile an der R-GmbH treuhänderisch für die L-AG hielt. Gleichzeitig übertrug R mit Wirkung zum 31.12.2016 seine 10%ige Beteiligung als Kommanditist an der Klägerin auf die M-Verwaltungs-GmbH.
Für die Klägerin als Treugeberin hielt die A-AG als Treuhänderin eine 100%ige Beteiligung an der B-GmbH. Dieser nachgeordnet waren über die C-GmbH 100 % Anteile an der jeweils grundbesitzenden E-GmbH und der F-GmbH.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Änderung im Gesellschafterbestand der Klägerin aufgrund des Übergangs der 100%igen Beteiligung an der R-GmbH von R auf T nebst Austausch der Treuhänder hinsichtlich der Beteiligung an der grundbesitzenden Klägerin nach § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes in der auf den Streitfall anwendbaren Fassung des Steueränderungsgesetzes 2015 (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterlag.
Die Klage vor dem Niedersächsischen Finanzgericht hatte Erfolg.
Nach Ansicht des Finanzgerichts löste der Erwerb aller Anteile an der als Kommanditistin an der Klägerin beteiligten R-GmbH durch T keine Grunderwerbsteuer aus. T sei nicht als "neuer Gesellschafter" im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG anzusehen, da er seit mehr als fünf Jahren an der Klägerin als Komplementär beteiligt gewesen sei (sogenannter Altgesellschafter). Die Auslegung des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG ergebe, dass ein Gesellschafter, der mehr als fünf Jahre an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt gewesen sei, kein neuer Gesellschafter der an der Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft sei, auch wenn er erstmals Anteile an der Kapitalgesellschaft erworben habe.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts führt die Übertragung aller Anteile an der R-GmbH, die zu 90 % unmittelbar an der Klägerin als Kommanditistin beteiligt war, von R auf T dazu, dass die R-GmbH in vollem Umfang als neue Gesellschafterin der Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 und 4 GrEStG anzusehen ist. Dadurch hat sich in Verbindung mit der zeitgleichen Übertragung der 10 % Anteile an der Klägerin von R auf die M-Verwaltungs-GmbH der Gesellschafterbestand der Klägerin unmittelbar vollständig im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG geändert.
Für die Beurteilung der Frage, ob eine unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG gilt, ist nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen.
"Neue Gesellschafter" sind danach solche Personen, die zuvor nicht an der Kapitalgesellschaft beteiligt waren. Eine zuvor schon bestehende Beteiligung eines neuen Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft ist nicht ausschlaggebend.
Selbst wenn der neu an der Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter vor seinem Anteilserwerb bereits Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft war, wird er für die Anwendung des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nicht zum Altgesellschafter der Kapitalgesellschaft.
Die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft sind nur in Bezug auf die Kapitalgesellschaft, an der sie beteiligt sind, Alt- oder Neugesellschafter, nicht jedoch in Bezug auf die grundbesitzende Personengesellschaft (gl. Auffassung die Finanzverwaltung in Tz. 5.2.3.2 der Gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.2018, BStBl I 2018, 1314).
Ob durch die nunmehr gesetzlich geregelte unterschiedliche Betrachtung von Personen- und Kapitalgesellschaften eine angemessene Berücksichtigung mittelbarer Strukturen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nach dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2a GrEStG noch erreicht wird, kann dahingestellt bleiben. Die eindeutige Systematik des § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG lässt keine andere Auslegung zu. Eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers liegt nicht vor.
Der BFH konnte nicht abschließend entscheiden, da das Finanzgericht nicht festgestellt hat, ob der Grundbesitz der E-GmbH und der F-GmbH der Klägerin am 31.12.2016 im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG gehörte.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 31. Juli 2024 (II R 28/21), veröffentlicht am 12. Dezember 2024.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.