Akteneinsicht und Erfordernis eines außergerichtlichen Antrags auf Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO

In zwei Urteilen hat der Bundesfinanzhof sich zur Anwendung der DSGVO und insbesondere zur Frage der Reichweite des Auskunftsanspruchs gegenüber dem Finanzamt geäußert. Die Entscheidungen reihen sich ein in die bisher zahlreichen Urteile des BFH, in denen das Gericht zur Anwendung der DSGVO und den sich in diesem Zusammenhang ergebenden Zweifelsfragen angerufen wurde.

In zwei am 19. Dezember 2024 veröffentlichten Urteilen hat der Bundesfinanzhof zur Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und insbesondere zur Frage der Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO gegenüber der Finanzverwaltung Stellung genommen. Nach Art. 15 DSGVO kann eine Bestätigung vom Finanzamt verlangt werden, ob personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, so hat die betroffene Person ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf bestimmte weitergehende Informationen (Artikel 15 Absatz 1 Ziffern a – h).

Urteil IX R 24/23: Kein Akteneinsichtsrecht nach der DSGVO

Sachverhalt: 

Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, streitet sich mit dem für sie zuständigen Finanzamt (FA) um die Anerkennung einer Teilwertabschreibung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte, eine oberste Landesbehörde (Beklagter), verfasste zu der Frage der Teilwertabschreibung diverse Stellungnahmen und wies das FA schließlich im Rahmen der Fachaufsicht an, die Teilwertabschreibung zu versagen.

Die Klägerin beantragte unter Hinweis auf Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) i.V.m. § 2a der Abgabenordnung (AO) Akteneinsicht beim Beklagten, die ihr mit Bescheid vom 06.11.2020 versagt wurde. Der Beklagte führte aus, dass ein Anspruch auf Akteneinsicht "weder nach der DSGVO noch nach der AO" existiere. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Urteil des BFH

Der BFH hielt die Revision für begründet und entschied wie folgt:

Der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des BFH erneut zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO). Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist ermessensfehlerhaft.

§ 2a Abs. 5 Nr. 2 der Abgabenordnung ordnet die entsprechende Geltung der Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung für Informationen an, die sich auf identifizierte oder identifizierbare Körperschaften beziehen.

Die Datenschutz-Grundverordnung enthält keinen Anspruch auf Akteneinsicht.

Das zuständige Amt ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, einen geltend gemachten Anspruch unter allen zumindest denkbaren rechtlichen Aspekten zu prüfen (nach pflichtgemäßem Ermessen).

Weder aus der Abgabenordnung noch aus dem Recht auf effektiven Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) sowie dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG ergibt sich ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht.

BFH, Urteil vom 20. September 2024, IX R 24/23.

 

Urteil IX R 20/22: Erfordernis eines außergerichtlich gestellten Antrags auf Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO

Hintergrund

Streitig ist ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO: Der Kläger, der in der Vergangenheit umfangreiche Klageverfahren gegen das beklagte FA geführt hatte erhob unter Bezugnahme auf den Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO Klage "wegen Verpflichtung zur Auskunft". Das Finanzgericht wies die Klage als unzulässig ab, weil es an einem außergerichtlich gestellten Antrag fehle. Statthafte Klageart sei die Verpflichtungsklage. Der Kläger vertritt dagegen die Auffassung, der Antrag auf Auskunftserteilung könne unmittelbar und erstmalig an das Gericht gerichtet werden.

Urteil des BFH

Der BFH wies die Revision des Klägers zurück.

Eine auf Auskunftserteilung gemäß Art. 15 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gerichtete Klage ist mangels Beschwer grundsätzlich unzulässig, wenn es an einem dem Klageverfahren vorausgehenden außergerichtlich gestellten Antrag auf Auskunftserteilung fehlt.

Das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO ist inhaltlich nicht mit einem Akteneinsichtsrecht identisch.

§ 40 Abs. 2 FGO macht im Fall der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und allgemeinen Leistungsklage die Zulässigkeit der Klage ausdrücklich davon abhängig, dass der Kläger die Verletzung eigener Rechte geltend macht. Diese in § 40 Abs. 2 FGO benannte Ablehnung durch die Behörde setzt zwingend voraus, dass der Erlass eines Verwaltungsakts oder die bestimmte Handlung der Behörde vorher beantragt wurde. Das Erfordernis der Beschwer nach § 40 Abs. 2 FGO ist auch im Lichte des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zulässig. Danach hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen (Rz. 34 im Urteil).

BFH, Urteil vom 12. November 2024, IX R 20/22.

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