Entgeltlicher Verzicht auf Nießbrauch bei einem vermieteten Grundstück

Das Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung eines Nießbrauchsrechts an einem dem Privatvermögen zugehörigen Grundstück ist eine steuerbare Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG), wenn der Nießbraucher das Grundstück zum Zeitpunkt des Verzichts tatsächlich vermietet und hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Der Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige, dem eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen zufließt, bei Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Der Klägerin wurde im Jahr 2008 im Wege eines Vermächtnisses ein Nießbrauchrecht an einem Grundstück zugewendet. Im Jahr 2012 überließ sie das Grundstück an eine Kommanditgesellschaft, an der sie selbst als Gesellschafterin beteiligt war. Die Mieteinnahmen stellten Sonderbetriebseinnahmen dar.

Nachdem die Klägerin im Jahr 2018 aus der Kommanditgesellschaft ausgeschieden war, überführte sie das Nießbrauchrecht in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu einem Wert von 0 € in ihr steuerliches Privatvermögen und erfasste die Mieteinnahmen fortan als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im November 2019 verzichtete die Klägerin sodann gegen eine Entschädigungszahlung auf ihr Nießbrauchrecht.

Im Rahmen der bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Ablösung des Nießbrauchs zu Einkünften i.S.v. § 23 EStG geführt habe. Die Entnahme des Nießbrauchrechts aus dem Sonderbetriebsvermögen habe zu einer Anschaffung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG geführt, sodass der entgeltliche Verzicht innerhalb der – aufgrund der Nutzung als Einkunftsquelle gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG verlängerten – zehnjährigen Veräußerungsfrist erfolgt sei.

Die Klägerin vertrat demgegenüber u.a. die Auffassung, dass das Nießbrauchrecht nicht veräußert, sondern – als nicht übertragbares Recht – lediglich abgelöst worden sei.

Die Klage vor dem Finanzgericht Münster hatte Erfolg (siehe unseren Blogbeitrag).

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Das Finanzgericht hat in seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass der entgeltliche Verzicht auf das Nießbrauchsrecht an einer durch den Nießbraucher vermieteten Immobilie zu einer steuerbaren und steuerpflichtigen Entschädigung für entgehende Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG führt. Dieser Tatbestand ist nach § 23 Abs. 2 EStG gegenüber den vom Finanzamt angenommenen und vom Finanzgericht abgelehnten sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG vorrangig.

Das Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung eines Nießbrauchsrechts an einem dem Privatvermögen zugehörigen Grundstück ist eine steuerbare Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn der Nießbraucher das Grundstück zum Zeitpunkt des Verzichts tatsächlich vermietet und hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt (entgegen BFH-Urteil vom 25.11.1992 - X R 34/89, BFHE 170, 76, BStBl II 1996, 663, unter 1.b).

Nutzt der Nießbraucher sein Recht dazu, das Grundstück an einen Dritten zu vermieten und hieraus Erträge zu erzielen, stellt die für den Verzicht auf das Nießbrauchsrecht erhaltene Gegenleistung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Entschädigung für die entgangenen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dar. Denn in diesem Fall ist die tatsächliche Einkunftserzielung der wirtschaftliche Kerngehalt des aufgegebenen Rechts. Die Entschädigung tritt an die Stelle des ohne den Verzicht fortwährenden Zuflusses an Mieteinnahmen. Die Entschädigung wurde der Klägerin also nicht für die Aufgabe des Nießbrauchsrechts als Wirtschaftsgut, sondern für die künftig entgehenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gezahlt.

Der Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige, dem eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen zufließt, bei Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand (unter anderem entgegen BFH-Urteil vom 24.10.1990 - X R 161/88, BFHE 162, 329, BStBl II 1991, 337, unter 3.).

Besteuert werden Leistungen, die an die Stelle der ausgefallenen ‑‑ansonsten steuerbaren‑‑ Einnahmen treten. Auf welche Weise diese Ersatzleistungen zustande gekommen sind, hat für den Steuertatbestand keine Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.2016 - X R 48/14, BFHE 256, 290, BStBl II 2017, 383, Rz 26).

Auch aus systematischer Hinsicht ist eine Druck- oder Zwangssituation nicht erforderlich. Denn Anknüpfungspunkt hierfür ist nicht die Steuerbarkeit der Entschädigung, sondern allein die Beurteilung, ob deren Zufluss zu einer tarifermäßigten Besteuerung gemäß § 34 EStG führen kann (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.2016 - X R 48/14, BFHE 256, 290, BStBl II 2017, 383, Rz 26).

Im Streitfall ist der Zufluss der Entschädigung für den Verzicht auf die Ausübung des Nießbrauchsrechts durch die Klägerin damit nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar.

Das Finanzgericht wird im zweiten Rechtsgang zum einen Feststellungen dazu treffen müssen, ob der Klägerin im Zusammenhang mit der vereinnahmten Entschädigung Werbungskosten im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG entstanden sind, die die Einkünfte aus § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG mindern.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 10. Oktober 2025 (IX R 4/24), veröffentlicht am 4. Dezember 2025.

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